Umland, Aachen: In der Werkstatt, dem Allerheiligsten der Kunsthandlung Schoenen, geht es ruhig und äußerst konzentriert zu. Auf Tischen verteilt viele Werkszeuge, die mittelalterlich anmuten: Dachshaarpinsel für den Umgang mit Blattgold, Vergoldermesser, mit denen das Gold geteilt wird, bevor man es auftragen kann, und Modelliereisen, um Formen schärfer herauszuarbeiten. „Wenn beispielsweise Ecken oder Stücke an Objekten fehlen, dann müssen diese nachmodelliert oder sogar nachgebaut werden“, erläutert Marcel Schoenen. Wo früher, zur Zeit des Großvaters, giftiger Schwefel zum Einsatz kam, übernimmt heute Silikon dessen Platz.
Auch die Materialien, die in der Restauratoren-Werkstatt zu finden sind, muten im ersten Augenblick archaisch an und erinnern den Laien an eine Alchimistenküche. Überall in der Werkstatt verteilt findet man Holz, Leintränke für den Kreidegrund, der gekocht werden muss, Bolognese- oder Champagnerkreide, Blattgold, Hasenhautleime, aus denen nach alten, überlieferten Rezepturen Kreidemassen angemischt und aufgestrichen werden, Polyment (Tonerde, die unter dem Gold liegt), Echtgold (meistens 24 Karat), Achatstein, ein Edelstein, der zum Polieren des Goldes dient, und Bienenwachs, der beim Restaurieren (Doublieren) von Leinwandschäden zum Einsatz kommt.
„Alles Arbeitsgänge, die sich seit Jahrhunderten nicht geändert haben“, weiß das Restauratoren-Team. Doch da, wo es Sinn macht, hat auch das digitale Zeitalter Einzug gehalten. Eine computergesteuerte Passepartout-Schneidemaschine ermöglicht die ausgefallensten Wünsche und technisch schwierigsten Schnitte. „Doch das wichtigste Werkszeug steckt in uns Restauratoren selber: Unsere Begabung, Know how und Herzblut. Restauratoren hängen mit dem ganzen Herzen an den Kunstwerken, denen sie wieder neues Leben einhauchen wollen“.
Weit wichtiger als die Werkszeuge und Materialien, die verwendet werden, sind jedoch die Fertigkeiten, die ein Restaurator mitbringen sollte. Ausdauer, Geduld, Kontinuität und Konzentration gehören da an die erste Stelle. Schon wegen der hochwertigen und teuren Materialien kann man sich Unachtsamkeit nicht leisten.
Die Qualität ist bei allen Materialien sehr wichtig. Der Hauptkostenfaktor beim Vergolden ist jedoch nicht der Einsatz des Edelmetalls, sondern die langwierige Vorarbeit. Dabei müssen immer wieder viele Schichten aufgetragen und geschliffen werden. Dieser Vorbereitungsprozess – also das, was unter dem Sichtbaren liegt – ist viel aufwendiger als das später sichtbare Ergebnis. Wenn diese Vorarbeiten nicht stimmen, wird das Resultat nicht optimal.
Typische Kunden sind in der Mehrheit Privatpersonen, die ein Familienerbstück wieder zum Strahlen bringen wollen. „Welche Oberfläche wir bearbeiten, ist uns fast egal. Es müssen aber gefasste Oberflächen sein. Das heißt, unsere Oberflächen sind meist nicht für den Außenbereich gedacht, sondern im Normalfall als Dekoration im Innenbereich, wie Gemälde und Skulpturen.“ Für das Restauratoren-Team bedeutetet das: Bildoberflächen reinigen, konservieren, Austrocknungen vermeiden, Firnisse erneuern, Schäden beseitigen, Leinwände reparieren und Bildrahmen, Skulpturen, Objekte oder Möbelstücke renovieren.
Zweites wichtiges Standbein sind die öffentlichen Aufträge von Kirchen, Städten und Kommunen. „Wir arbeiten ausschließlich in unserer Werkstatt und im Anschluss werden die Dinge vor Ort – meistens von anderen Handwerkern – wieder montiert“, so Marcel Schoenen. Gerne erinnert sich das Team an die aufwendigen Arbeiten für das Kloster Bernried am Starnberger See. Auch hier wurde der Altar und weitere Objekte abgebaut und in die Aachener Werkstatt gebracht. Im heimatlichen Atelier wurde alles vergoldet und trug so dazu bei, dass ein Andachtsraum des Klosters in neuem Glanz erstrahlt.
Als Geste der Solidarität und Verbundenheit wurde im Zuge der gewaltigen Sanierungsarbeiten am Aachener Dom der Wetterhahn vergoldet. Vor einiger Zeit auch die Wetterhähne der Kirchen im belgischen Hergenrath und Raeren, sowie die Wetterfahne der Schleidener Kirche.
Das Team restaurierte auch Inventar aus dem Aachener Rathaus. Unter anderem einen zwei mal drei Meter großen Rahmen. Der wäre im verleimten Zustand nicht transportabel gewesen. Also musste er fachgerecht zerlegt werden, damit an den einzelnen Schenkeln gearbeitet werden konnte. Alleine diese Rahmenrestaurierung dauerte ein halbes Jahr.
Marcel Schoenen und seine Frau Britta sind inzwischen die sechste Familiengeneration von Vergoldern und Restauratoren. Gegründet wurde das traditionsreiche Unternehmen 1873 von Matthias Schoenen im Aachener Annuntiatenbach. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Restauratoren- und Vergolderwerkstatt zu einer Kunsthandlung und -galerie weiter, die inzwischen auch bereits in der dritten Generation geführt wird. 1950 folgte in der Wilhelmstraße der Neubau der heutigen Kunsthandlung. „Wir bekommen wöchentlich eine Anfrage von interessierten jungen Menschen, die bei uns eine Ausbildung anfangen wollen. Viele haben eine etwas idealisierte Vorstellung von dem Beruf. Das das auch ganz viel Mühe, Anstrengung, Training, Übung und Begabung bedeutet, ist vielen nicht klar“, gibt Vater Karl Schoenen zu bedenken. Die Ausbildung ist nur in Meisterbetrieben und für das Land NRW in der Berufsschule Düsseldorf möglich. Der großen Nachfrage stehen aber nur sehr wenige Ausbildungsstellen gegenüber. Marcel und sein Vater Karl, die beide Meister sind, haben ihre Meisterprüfung damals in Köln abgelegt. Marcel hat darüber hinaus ein Studium als Diplom Designer absolviert. Seine Frau Britta, eine gebürtige Eifelerin, ergänzt als Diplom-Designerin das Familien-Unternehmen ideal.
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