Zülpich, Bürvenich: Die pralle Walnuss auf der Holzdose wirkt so plastisch, dass man unwillkürlich danach greifen will. Die sattgrünen Erbsen scheinen aus dem Bild zu kullern und im kunstvoll gemalten Wassertropfen spiegelt sich die Welt… Mit liebevollem Blick fürs Detail und der grandiosen Maltechnik alter Meister schafft Gerd Stühl seit über 40 Jahren unverwechselbare Stilleben. Mit seinem Umzug in die Eifel, 1972, entdeckte er die Natur. Seitdem sind Pflanzen und Früchte seine bevorzugten Motive. Ob großflächig, oder klein und kompakt: Jedes seiner Bilder steckt voller Leben, manchmal gepaart mit dem morbiden Charme des Vergehens. Wer genau hinschaut, entdeckt auf den kunstvoll komponierten Werken oft winzige Kreaturen. Um diese Ameisen oder Käfer in Originalgröße auf das Bild bannen zu können, greift der Künstler zur Lupe. In der linken Hand das Vergrößerungsglas, in der rechten den Pinsel malt er seine Momentaufnahmen. An den kommenden beiden Wochenenden öffnet der Künstler sein Atelier und zeigt seine aufwändigen Werke der Öffentlichkeit.
Gerd Stühl liebt die Natur und das Leben. Der große Garten hinter dem 300 Jahre alten Haus bietet Motive im Überfluss: Je nach Jahreszeit Blüten und Beeren, Gemüse und Nüsse. Selbst oft verpöntes Unkraut wird auf Stühls Bildern zum ästhetischen Genuss. Eins seiner Lieblingsmotive, verrät der Maler, sind die zarten, weißen Blütenkelche der Marienwinde.
Im Jahreszyklus entstehen jährlich zwölf, manchmal sogar 15 Bilder, an denen er – je nach Größe – mehrere Wochen malt. Beseelt und besessen von seiner Arbeit, verbringt Stühl bis zu sechs Stunden täglich in seinem Atelier. „Er kann nicht ohne Arbeit sein. Er muss immer malen“, beschreibt Ehefrau Ingrid den Schaffensdrang ihres Mannes.
Stühl ist ein Ästhet. Und Perfektionist. So kann es manchmal passieren, dass eins der Werke seinem monatelangen prüfenden Blick nicht mehr standhält. Dann greift er – gemäß der Devise „Da kannst Du noch mal ran!“ – behutsam erneut zum Pinsel.
Nein, vermarkten ließ sich Stühl in all den Jahren nie. Galeristen, die das Geschäft ankurbeln wollten, erhielten vom Ehepaar Stühl stets eine Abfuhr: „Wir sind doch nicht aufs Land gezogen, um eine Fabrik zu eröffnen!“
Dem Künstlerehepaar ist der direkte Kontakt zu den Käufern und Sammlern wichtig. „Wir haben noch nie ein Bild verkauft, von dem wir nicht wissen, wo es jetzt hängt“, beschreibt Ingrid Stühl den persönlichen Umgang mit den Kunstliebhabern. „Wir waren immer ein Geheimtipp“, ergänzt ihr Mann, dessen aufwändige Originale meist auch in einer streng limitierten Druckauflage von mittlerweile nur noch zehn, maximal zwanzig Exemplaren erscheinen. Sich von seinen Werken zu trennen, fällt Gerd Stühl oft schwer. „Am liebsten wäre mir, die Leuten ließen das Geld und das Bild hier“, schmunzelt der 76-jährige Künstler, der gemeinsam mit dem Bildhauer Ulrich Rückriem an den Kölner Werkschulen studierte.
Der Versuch, aus jedem Jahr zumindest ein charakteristisches Bild aufzubewahren, ließ sich wegen des großen Interesses auf Dauer nicht durchhalten. Deshalb hängt Ingrid Stühl ihre absoluten Lieblingsbilder nur noch in die Privaträume. „Die werden niemals verkauft“, sagt sie mit liebevollem Blick auf die Kunstwerke. Während die letzten Bilder für die Atelierausstellung gerahmt werden, arbeitet Gerd Stühl bereits am nächsten Motiv: Auf seinem Arbeitstisch liegt eine handvoll glänzend brauner Kastanien…
Die traditionelle Jahresausstellung in Gerd Stühls Atelier, Stephanusstraße 129, ist am 1. und 2.11. sowie 8. und 9.11. jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet. www.gerdstuehl.de
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