Kreise, Städtereg. Aachen: Die Umweltbehörde der StädteRegion Aachen weigert sich, die fundierten Einwände des Geologischen Dienstes (GD) des Landes NRW zur Errichtung eines Windparks im Simmerather Wald zur Kenntnis zu nehmen. Auf dem Gelände der Gemeinde Lammersdorf und in fußläufiger Entfernung zur Kalltalsperre sollen sieben Windräder errichtet werden. Der Geologische Dienst und die Erdbebenstation Bensberg melden in Stellungnahmen massive Bedenken gegen den Standort Simmerather Wald an. Die Betriebssicherheit des Erdbebenalarmsystems NRW sei nicht mehr zu gewährleisten, zusätzlich ist die wissenschaftliche Arbeit der Erdbebenforscher bedroht, sollte der Windpark gebaut werden.
Die Städteregion lehnt den Einwand ab und beruft sich in ihrer Ablehnung auf eine Rechtsauskunft des Umweltministeriums in Düsseldorf. Dort ist man der Meinung, der Geologische Dienst habe „in seiner Einwendung seine Betroffenheit nicht substanziell vorgetragen“. Außerdem würde in der Stellungnahme des GD die Rechtsgrundlage fehlen, auf die sich die Geologen zu berufen hätten, wenn sie Einwände erheben wollten.
Der geologische Dienst hatte unter anderem ausgeführt: „Es ist zu erwarten, dass die Beeinträchtigungen der seismischen Registrierungen an den Erdbebenstationen dem von mir (dem Geologischen Dienst, Anmerkung der Redaktion) vertretenden öffentlichen Belang entgegenstehen. Eine Einzelfallprüfung ist in jedem Fall zwingend erforderlich.“ Außerdem weist der GD darauf hin, dass die Störungen des Erdbebenalarmsystems dazu führen können, dass die betroffenen Erdbebenstationen unbrauchbar werden.
„Der Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) produziert Erschütterungen im Untergrund, die die für die Registrierung lokaler Erdbeben entscheidenden Schwingungsfrequenzen massiv betreffen. Ein signifikanter Einfluss wurde auch noch in mehr als zehn Kilometer Abstand von den Anlagen festgestellt. […] Diese Einwirkungen können dazu führen, dass Erdbebenstationen unbrauchbar werden, weil Erdbeben nicht oder unzureichend erkannt werden und damit Alarmierungsvorgänge scheitern können“, führt der Geologische Dienst weiter aus. Außerdem weist der GD auf die Messstationen der Erdbebenstation Bensberg in der Kalltalsperre und der Dreilägerbachtalsperre hin. Die Stationen würden ebenfalls vom GD in die Erdbebenüberwachung einbezogen.
Die Universität Köln – die Erdbebenmessstation Bensberg ist beim geologischen Institut der Uni angesiedelt – hatte bereits im November die StädteRegion angeschrieben und massive Bedenken gegen die sieben Windräder im Simmerather Wald, in unmittelbarer Nähe zu den Erdbeben Messstationen in der Kalltalsperre und der Dreilägerbachtalsperre geäußert. „Auf Grund der geringen Abstände insbesondere zur Station KLL (Kalltalsperre, die Redaktion) ist zu erwarten, dass die Stationen in ihrer bisherigen Funktion als empfindliche Detektionsstationen nicht mehr zur gebrauchen sein werden, sollten die WEAn in Betrieb gehen.“Das Resüme der Experten klingt düster: „Mit der Umsetzung der Pläne für Simmerath würde nicht nur jahrzehntelanger, wissenschaftlicher Arbeit in dieser Erdbebenregion ein Ende gesetzt, auch die Funktion des Überwachungsnetzes im Hinblick auf unsere Einbindung in den Katastrophenschutz des Landes NRW und der Bezirksregierung Köln würde beeinträchtigt“, erklärt Professor Dr. Klaus-Günter Hinzen von der Erdbebenstation in Bensberg. Nach Ansicht des Umweltministeriums in Düsseldorf seien die Einwände der Wissenschaftler jedoch nicht zu berücksichtigen, da die Erdbebenstation Bensberg nicht als relevante Instanz im Windenergieerlass NRW benannt wäre, somit könnten die Bedenken der Erdbebenstation Bensberg im Genehmigungsverfahren unberücksichtigt bleiben. Dieser Empfehlung ist man im Umweltamt der StädteRegion dann auch gefolgt und fand es nicht einmal für nötig, den Wissenschaftlern in Köln auf ihre Bedenken zu antworten.
Daran konnte auch der Hinweis der Bensberger, dass die StädteRegion Aachen die am höchsten gefährdete Erdbebenregion in Deutschland ist, und es folglich in ihrem Eigeninteresse liegen sollte, die Erdbebenwarnsysteme zu erhalten, nichts ändern: Die StädteRegion Aachen erteilte für die Windanlagen im Simmerather Wald den Genehmigungsbescheid und setzte sich damit über die Regelungen des Windenergieerlasses hinweg.
Nun droht ein massiver Konflikt: Auf der einen Seite die Interessen der Windradlobby, auf der anderen Seite die Erdbebensicherheit in den höchst gefährdeten Regionen Börde, Eifel, Venn. Wieviel Windrad verträgt die Eifel, ohne dass die Sicherheitsinteressen der Bewohner und der Katastrophenschutz vor die Wand fahren?Die Erdbebenmessstation Großhau, sowie die mit dem Erdbebenwarnsystemen vernetzten Messstationen in Urftalsperre und Oleftalsperre sollen in einem Zehn-Kilometer-Radius um ihre Anlagen ein Vetorecht bei der Errichtung von Windkraftanlagen haben, bestimmt der Windenergieerlass des Umweltministeriums in Düsseldorf. Die Kalltalsperre und Wehebachtalsperre gehören zum Messsystem der Erdbebenstation Bensberg. Sie sind für die wissenschaftliche Arbeit, aber auch für den Katastrophenschutz genauso wichtig, wie die Anlagen des Geologischen Dienstes, unterstehen aber administrativ der Universität Köln. Die berechtigten Sicherheitsbedenken der Wissenschaftler und der Geologen zu ignorieren, um einen Windradstandort gegen die Vorgaben des neuen Windenergieerlasses durchzusetzen, wirft kein gutes Licht auf die maßgeblichen Entscheidungsinstanzen bei der Umweltbehörde in der Städteregion und beim Umweltministerium in Düsseldorf.
In Deutschland gibt es insgesamt mehrere hundert seismologische Messstationen, die von verschiedenen Einrichtungen des Bundes und der Länder, sowie von Universitäten und Forschungseinrichtungen betrieben werden. Durch die wachsende Zahl neuer Windkraftanlagen, die im Zuge der Energiewende errichtet werden, drohen Konflikte mit der bundesweit betriebenen seismologischen Forschung. […] Eine ungeregelte Aufstellung von Windrädern kann den Betrieb von seismologischen Messnetzen und die Beobachtungsbedingungen für die Erdbebenüberwachung massiv beeinträchtigen. Aus diesem Grunde fordern wir, dass die Belange der Erdbebenbeobachtung in Deutschland vor der Genehmigung und Errichtung einer Windkraftanlage angemessen berücksichtigt werden.
Aus der Stellungnahme der Arbeitsgruppe Seismologie des „Forschungskollegiums Physik des Erdkörpers (FKPE)“ zur Errichtung von Windkraftanlagen in Deutschland (2013) www.fkpe.org
- 01.05.2020: Juwi stellt Antrag auf zwei weitere Windanlagen im Lammersdorfer Wald
- 13.10.2017: Windenergieerlass in der Kritik: Teil II - Außer Spesen...?
- 22.04.2016: Verwaltungsstreit um das Erdbebenalarmsystem?
- 29.01.2016: ZwEifler: Ist Erdbebenvorsorge für die Eifel überflüssig?
- 13.11.2015: Windanlagen behindern Erdbebenalarmsystem
Erdbebenalarnsystem:
http://www.gd.nrw.de/gg_eas-meldungen.php
Erdbebenmessstelle Uni Köln:
http://www.seismo.uni-koeln.de/events/
Bisher 2 Kommentare
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Es ist schon bemerkenswert, wie unterschiedlich die StädteRegion die Gefahren ihrer Bürger einstuft: Auf Tihange hauen sie “zum Schutze des Bürgers” drauf (hiermit sind Wählerstimmen zu gewinnen, praktisch außerdem: Tihange liegt im Ausland, unliebsame Entscheidungen müssen nicht im eigenen Land getroffen werden). In der eigenen Region scheint der Bürgerschutz egal zu sein. Dies lässt zumindest die Kontroverse Aufstellen neuer Windräder im Simmerather Wald (von der StädteRegion genehmigt) versus Ausfall des Erdbebenwarnsystems (hiervor warnen deutsche Experten) vermuten.
Ich bin fassungslos über diese nicht mehr zu überbietende dümmliche Ignoranz der Umweltbehörden in Aachen und Düsseldorf. Hier in der gefährlichsten Erdbebenregion Europas wird das Warnsystem außer Betrieb gesetzt wegen einer fehlenden RECHTSGRUNDLAGE!!!
Glauben die verantwortlichen Bürokraten dass eine tödliche Erdbebenkatastrophe nach einer RECHTSGRUNDLAGE fragt? Sind die schweren Beben in Roermond und Aachen schon vergessen? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn infolge nicht erkannter Schäden die Staumauer der Kalltalsperre bricht? Vielleicht können die deutschen Umweltschützer auch gar nicht handeln denn sie belehren momentan die Belgischen Kollegen über die Gefahren für die Menschen in Tihange.
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