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Die Messstationen des Erdbebenalarmsystems [Grafik: Geologischer Dienst Krefeld]

Verwaltungsstreit um das Erdbebenalarmsystem?

Eifel: Das Umweltministerium in Düsseldorf hat nach den massiven Einsprüchen gegen die Regelungen zum Erdbebenalarmsystem im neuen Windenergieerlass reagiert und im März eine Ergänzung des entsprechenden Textes verfasst. In dem nun gültigen Erlasstext werden die Erdbebenmessstationen der Erdbebenwarte Bensberg der Uni Köln ebenfalls bei der Genehmigung von Windanlagen berücksichtigt. Hatte doch die Erdbebenwarte kritisiert, dass im ursprünglichen Text des Erlasses aus dem November 2015 ihre circa 30 Seismometerstandorte in NRW und speziell im Erdbebenhotspot Börde und Eifel nicht berücksichtigt worden seien, und somit die großräumige Erdbebeninformation und die wissenschaftliche Arbeit massiv gefährdet wären.

Im gleichen Erlass versuchte das Umweltministerium, die bisher gültigen zehn Kilometer Sicherheitszone um die Stationen des Erdbebenalarmsystems NRW des Geologischen Dienstes (GD) aufzuweichen und auf die halbe Distanz herunterzusetzen. Dem Geologischen Dienst wurde vom Umweltminister eine Frist von knapp vier Wochen (bis 15. April) eingeräumt, um seine Bedenken gegen diese Maßnahme vorzutragen und substanziell zu begründen.

Der Geologische Dienst wird damit kurzfristig vor die fast unlösbare Aufgabe gestellt, anhand von geologischen Unterlagen zum Untergrund und der verschiedenen, auf dem Markt vorhandenen Windanlagen eine allgemeingültige Vorgehensweise zu entwickeln: Wann und in welcher Entfernung stören Windanlagen auf differenzierten geologischen Untergründen mit ihrem Infraschall die empfindlichen Seismometer?

Erfahrungswerte mit errichteten Windparks und dem darauf folgenden Erblinden der Seismometer sind vorhanden: So führt der Großwindpark in Schleiden-Schöneseiffen zu heftigen Störungen der empfindlichen Messinstrumente in der knapp vier Kilometer entfernten Oleftalsperre. Allerdings gibt es in Deutschland bisher kaum ausgereifte Forschungsergebnisse zu diesem Phänomen.

In Großbritannien hat man eine entsprechende Studie bereits vor Jahren erstellt. Daraus wurde in England eine Verfahrensrichtlinie erarbeitet, um die seismischen Messstationen vor dem Ausfall zu schützen. Diese besagt, dass im Umkreis von zehn Kilometern um die Seismometer keine einzige Windanlage zulässig sei. Erst in einem weiteren Radius von 17 Kilometern ist eine Einzelgenehmigung nach Absprache mit den Geologen möglich.

Über solche Distanzen am Erdbebenhotspot Eifel auch nur nachzudenken, schließt man im Umweltministerium kategorisch aus. Hier wird mit dem Erreichen der Klimaschutzziele argumentiert und gegenüber dem Wirtschaftsministerium, in dessen Zuständigkeitsbereich der Geologische Dienst fällt, ungeduldig darauf hingewiesen, dass zurzeit Windanlagen mit einem Investitionsvolumen von 750 Millionen Euro von dem Konflikt mit den seismologischen Stationen betroffen seien und folglich noch nicht errichtet werden könnten.

Auch im weiteren Erlass werden die Möglichkeiten des Geologischen Dienstes, sich in das Genehmigungsverfahren neuer Windparks einzubringen, zukünftig radikal beschnitten: Nachdem der GD in Zukunft zu einem Windradstandort in Umfeld seiner Messstation Bedenken angemeldet hat, muss er diese substantiiert begründen. Danach soll ein Gutachter der WEA Antragssteller den Sachverhalt ermitteln, dabei soll der GD mitwirken und Prüfmethoden vorgeben. Anschließend ist die Genehmigungsbehörde dran: Sie soll nun in einem zweistufigen Prüfungsverfahren „weitere Sachverhalte ermitteln“, um dann festzustellen, „inwieweit die seismologischen Stationen in ihrer Funktion gestört werden. Anschließend ist die Beeinträchtigung gegenüber dem geplanten Vorhaben zu gewichten und zu bewerten, ob sie der im Außenbereich baurechtlich privilegierten Windanlage entgegensteht.“ Diese Einwände müssen auch noch im „rechtserheblichen Maßstab“ Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung des Geologischen Dienstes (der Erdbebenvorsorge, die Red.) haben.

Angesichts der geringen vorhandenen und belastbaren wissenschaftlicher Forschung zu diesem Thema, eine Herkules-Aufgabe für jede einzelne Windanlage, die der Geologische Dienst da stemmen soll. Die bewusst kompliziert gehaltene Verfahrensabfolge bietet natürlich viele Möglichkeiten, das Einspruchsverfahren der Geologen zu torpedieren und trotz offensichtlicher Störung durch die Windanlagen die Bedenken der Wissenschaftler zu übergehen.

In der Zeit von November 2015 bis Mitte März 2016 gab es in der Eifel zwei Baugenehmigungen für Windanlagen durch die Städte Region Aachen (Simmerather Wald) und die Stadt Aachen (Münsterwald) im unmittelbaren Nahbereich zu Erdbebenmessanlagen. Beide Baugenehmigungen betreffen Stationen der Uni Köln. An der Kalltalsperre sind insgesamt zwölf Windräder (Gemeinde Simmerath und Gemeinde Hürtgenwald) in einer Entfernung von 870 m bis zu 2,5 km zu den seismologischen Messeinrichtungen an der Talsperre geplant und teilweise bereits genehmigt – der ursprüngliche Windenergieerlass vom November empfiehlt eine Entfernung von zehn Kilometern der Windanlagen zu seismischen Messstationen. Dieser Erlass galt aber zum Genehmigungszeitpunkt nur für die Stationen des Erdbebenwarnsystems des GD und nicht für die ebenso wichtigen Stationen der Erdbebenwarte der Uni Köln. Mit den, im Dezember verfügten und genehmigten geringen Abstandszonen zu den Windrädern wären die Anlagen der Kölner Universität in den Kalltalsperren in Zukunft faktisch blind und damit die wissenschaftliche Arbeit der letzten 50 Jahre in Frage gestellt. Ähnliches gilt für den genehmigten Windpark im Aachener Münsterwald und die seismische Station in der benachbarten Dreilägerbachtalsperre.

Der geänderte Windenergieerlass wurde mit dem 17. März in Kraft gesetzt. Bis zum 15. April konnte der Geologische Dienst Einsprüche gegen die Reduzierung seiner Abstandsflächen auf fünf Kilometer vorbringen. Seit diesem Zeitpunkt gilt die vom Umweltministerium festgelegte geringere Distanz. Die Interessen der Erdbebenforscher der Universitäten und ihrer Messanlagen wurden bei dieser Entscheidung nicht eingebunden.

Auf Nachfrage von EIFELON erklärte man im Umweltministerium, dass es bisher zu keiner abschließenden und einvernehmlichen Regelung mit dem, für den Geologischen Dienst am Verfahren beteiligten Wirtschaftsministerium gekommen sei. Ebenfalls ist unklar, ob das für die Erdbebenwarte der Uni Köln verantwortliche Wissenschaftsministerium bisher am Verhandlungstisch sitzt. Kein Wunder, haben die Geologen und Wissenschaftler doch so gut wie keine Chance, in dem verkomplizierten Verfahren gegenüber der Windradplanung zu gewinnen.

Für das Umweltministerium kann die neue Regelung mit den, auf fünf Kilometer verkürzten Abstandszonen zwischen Windrädern und den Erdbebenmesspunkten durchaus so bleiben, hat man doch damit eine wesentliche Erleichterung für den Bau weiterer Windparks in der Eifel geschaffen. Dass dabei die Erdbebensicherheit und die Erdbebenforschung auf der Strecke bleiben, interessiert die Umweltschützer wenig, das verantwortet im Zweifelsfall der Geologische Dienst und damit das zuständige Wirtschaftsministerium. Wenn die Erdbebenforschung in Deutschland mangels verlässlicher Daten in NRW zusammenbricht, müssen dafür die Hochschulen und damit das Wissenschaftsministerium die Verantwortung übernehmen. Für die Bewohner der Eifel und der Börde stellt sich allerdings die Frage, ob ihre Sicherheitsinteressen in einem Katastrophenfall von der Landeregierung verantwortlich wahrgenommen werden oder sich die Erdbebenvorsorge in NRW künftig dem wirtschaftlichen Interesse der Windradbetreiber unterzuordnen hat.

Weitere Informationen:

Windenergieerlass vom 17.03.2016

22.4.2016PolitikEifel0 Kommentare cpm

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