Nideggen, Abenden: Die Abendsonne fällt in den Hof des ältesten Hauses aus dem Jahre 1696 in Nideggen-Abenden, der Dorfschmiede. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite der schmalen Palanderstraße plätschert das Wasser die Rur hinab. Noch zwitschern die Vögel lebhaft in den Bäumen, die den Fluss umsäumen. „Schon allein deshalb lohnt es sich hierzubleiben, obwohl es nicht einfach ist, dieses Erbe zu unterhalten“, sagt Christoph Riem und meint damit die inklusive Lager- und Bürofläche 300 Quadratmeter große Schmiede-Werkstatt, die er in der vierten Generation führt.
Nach Lehrjahren als Schmied im elterlichen Betrieb, Arbeiten bei verschiedenen Schmieden in der Umgebung, absolvierter Technikerschule für Baudenkmalpflege und Altbausanierung sowie bestandener Meisterprüfung hat Christoph Riem 1995 die Schmiede von seinem Vater Johann übernommen, „damit der Betrieb weitergeführt wird“. Damals sah es so aus, als würde es sich lohnen, als Schmied zu arbeiten. „Aber es wurde immer weniger.“ Inzwischen machen die Schmiedearbeiten nur noch fünf bis zehn Prozent seiner Tätigkeiten aus. Der überwiegende Teil sind Schlosserarbeiten, Neuanfertigungen, Reparaturen sowie die Montage von Normteilen wie etwa bereits vorgefertigte Gitterfenster aus Metall.
1870 hat sein Urgroßvater Heinrich Riem die Schmiede gegründet: Er baute eine 45 Quadratmeter große Werkstatt an das elterliche Haus. Hier richtete er gegenüber der Feuerstelle einen kleinen Stall ein, in dem er Pferde und Ochsen beschlug. Im Laufe der Jahre durchlebte die Schmiede zahlreiche Veränderungen. Sie erhielt neue Maschinen, Öfen, erlebte Familienzuwächse und -verluste, Werkstattvergrößerungen und Inhaberwechsel, den ersten und den zweiten Weltkrieg. Als 1939 die meisten Pferde und Beschlagschmiede aus den Nachbarorten eingezogen wurden, hatte Heinrich Riem Junior, dem inzwischen die Schmiede gehörte und Großvater von Christoph Riem ist, über hundert Ochsen in Beschlag, die die Pferde ersetzten. Schon früh morgens standen bis zu fünf Ochsen zum Beschlagen vor der Werkstatt. Vor 22 Uhr war nicht an Feierabend zu denken, Hufeisen mussten noch für den Vorrat geschmiedet werden. Die Kunden halfen Schmied Riem, den Blasebalg zu ziehen und selbst beim Zuschlagen. Der Kauf eines elektrischen Gebläses im Krieg stand an. 1944 wurde die Familie Riem in den Siegkreis evakuiert, die Arbeiten dort in einer anderen Schmiede fortgesetzt. Schon ein Jahr später konnte die Familie nach Kriegsende zurückkehren, Werkstatt und Wohnung waren beschädigt, aber noch vorhanden.
Der Neuanfang gelingt mit dem bei der Evakuierung mitgenommenen Werkzeugkasten und Elektrogebläse, für das es 1947 wieder Strom gibt. Sohn Johann Riem tritt in die Fußstapfen seines Vaters, besteht 1958 die Meister- und Hufbeschlagprüfung sowie den Schlepperlehrgang für Traktoren. Die Werkstatt vergrößert sich weiter. Neben der Reparatur von landwirtschaftlichen Geräten fertigen die Schmiede jetzt auch Gitter, Zäune und Vordächer an. 1968 übernimmt Johann Riem die Werkstatt. Er ist der Vater von Christoph Riem und drei Töchtern.
Ein Foto aus dem Familienalbum zeigt den Vater mit selbst gebautem Anhänger und Motorrad. Er war nach Düren unterwegs, um dort Gasflaschen für die Arbeiten in der Werkstatt zu kaufen. Der Vater habe versucht, sich vielfältig zu entwickeln, im Betrieb, der zu Bestzeiten bis zu fünf Mitarbeiter beschäftigte, unterschiedliche Arbeitsbereiche abzudecken wie etwa diesen Anhänger herzustellen, erzählt Christoph Riem. Dann waren Normen Vorschrift und irgendwann stellten andere, größere Betriebe Anhänger her. Dennoch verrät der weitere Blick ins Fotoalbum die Vielfalt an Schmiedearbeiten, die Christoph Riem und sein Vater verrichtet haben: Gipfelkreuze, Kreuze auf Kirchtürmen, auf Gräbern, Schriftzüge an Häusern, Zäune, Balkongitter, Lese- und Blumenständer, Schlüssel, Beschläge für Truhen oder auch die Ausleger des ehemaligen Uhrmachers in der Heimbacher Hengebachstraße und der Buchhandlung in Nideggen. Manchmal machen die Kunden feste Vorgaben, manchmal sagen sie aber auch nur: „Sie machen das schon.“ Dann legt Christoph Riem einfach los, mit einer Vorstellung im Kopf. Skizzen macht er nur noch selten.Auf Märkten versucht er, vor allem den Kindern das Handwerk nahezubringen, die Arbeit, die es braucht, um zum Beispiel ein Schüreisen zu schmieden. Die Kinder dürfen sich beim Schmied selbst versuchen. Oft sind sie nach ihren ersten Versuchen froh, ein selbst geschlagenes Nägelchen oder einen Haken mit nach Hause zu nehmen. Große Pläne für die Zukunft schmiedet er nicht. Seine Arbeit soll aber vor allem eines bleiben, abwechslungsreich.
Wer sich näher für die Arbeiten von Christoph Riem interessiert, hat beim Eifelmarkt am 11. September in Langerwehe Gelegenheit dazu. Hier ist der Schmied, der gerade erst beim Heimbacher Stadtfest sein Handwerk präsentierte, mit einem Stand vertreten. (www.schmiede-riem.de)
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