Eifel: Wenn es Fußballweltmeisterschaften gibt, oder das Volk durch sonstige umfangreiche Beschäftigung abgelenkt ist, werden – so zeigt die Erfahrung – meist die eher umstrittenen Gesetzesvorhaben durchgewinkt. Der vorweihnachtliche Kaufrausch im Dezember bietet sich ebenfalls für etwas obskure Gesetzesinitiativen an, welche normalerweise nicht ohne heftige Diskussion durchzubringen wären. Eine Gesetzesänderung und ein Gesetzentwurf aus dem Bundesumweltministeriums (BMUB) bestätigen diesen Verdacht:
Eine Novelle des Baurechts zum Thema Lärmschutz hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Bundestag auf den Weg gebracht. Wer nun meint, das Umweltministerium würde damit einen stärkeren Lärmschutz für geplagte Bewohner lautstarker Straßen oder etwas für geplagte Anlieger dauerrauschender Windparks realisieren, hat sich heftig getäuscht. Nicht weniger, nein mehr Lärm soll den Bürgern in neuen, sogenannten „Urbanen Gebieten“ zukünftig zugemutet werden. Diese fragwürdige Initiative begründet die Ministerin damit, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen:
Viele Städte brauchen daher dringend Wachstumsperspektiven und mehr bezahlbaren Wohnraum. Mit der Baurechtsnovelle geben wir den Stadtplanern neue Instrumente an die Hand, um sich auf den Zuzug einzustellen. Das neue urbane Gebiet soll das Miteinander von Wohnen und Arbeiten in den Innenstädten erleichtern und neue Möglichkeiten für den Wohnungsbau schaffen.
Also wird Ghettobildung beim Wohnungsbau gefördert. Es gibt in Zukunft „Wohnen 2. Klasse“ – mit Lärmzuschlag.
Mit der Gesetzesnovelle wurde auch gleichzeitig die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm) des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) gelockert. Dazu wird im Städtebaurecht die neue Gebietskategorie „Urbane Gebiete“ eingeführt.
In den „Urbanen Gebieten“ darf der Lärmpegel künftig tagsüber 63 Dezibel (dB), nachts 48 dB betragen. Damit liegt nun der genehmigte Lärm um 3 dB höher als in den bisherigen „Mischgebieten“, die bis jetzt meist als Grundlage für den städtischen Raum angesetzt wurden. Drei Dezibel – mehr Lärm – ist doppelt so laut, die Steigerung ist exponentiell.
- http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/hendricks-novelle-des-baurechts-macht-staedte-fit-fuer-die-zukunft/
- http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Laermschutz/ta_laerm_entwurf_bf.pdf
Im Klartext: Die Bürger sollen sich an mehr Lärm gewöhnen, gewissermaßen als Ausgleich dafür, in der Stadt wohnen zu dürfen.
Ob dieses Angebot der Politik, neue „Lärmghettos“ zu schaffen, von der Wohnungswirtschaft angenommen wird, bleibt abzuwarten. Besteht doch das Risiko auf diesem „Wohnraum 2. Wahl“ bei der zukünftigen Vermietung sitzenzubleiben.
Ein „schönes“ Vorweihnachtsgeschenk für die Stadtbewohner. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein findiger Windradplaner die neue höhere Lärmnorm für „Urbanes Gebiet“ auch für die ländlichen Regionen mit Windparks durchsetzt, könnte man dadurch doch die Entfernung zwischen Wohnbebauung und Windmonstern glatt halbieren. Gleiches Recht für alle, zumindest bei der Lärmbelastung.
Noch ein Weihnachtsgeschenk für die lieben Tiere hat die Umweltministerin in ihrem Jutesack: Das Tötungsverbot für Vogel und Fledermaus an Windrädern soll stark eingeschränkt werden.
Wenn der Focus auf weihnachtlicher Harmonie und Geschenken liegt, wer will sich da schon mit dem Artenschutz herumschlagen. Das hat auch das Ministerium der Frau Hendricks messerscharf erkannt und den „Entwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ am 2. Dezember zur Beurteilung an die zuständigen Verbände geschickt. Die Zeitspanne, den Entwurf zu prüfen, ist denkbar knapp gewählt: Bis 16. Dezember – also gerade einmal 14 Tage – hatten die Naturschutzverbände Zeit, Stellung zu beziehen.
In diesem Entwurf, der EIFELON vorliegt, geht es nicht um verschärften Naturschutz oder eine Initiative, dem vermehrten Artensterben durch Windmühlen entgegenzuwirken. Das Gesetz dient auch nicht der Arterhaltung seltener Wildtiere – im Gegenteil:
[…] wir bitten Sie um Stellungnahme, ob in § 45 Absatz 7 Bundes-Naturschutz-Gesetz (BNatSchG) eine Klarstellung für den Bereich der Windenergieanlagenerrichtung erfolgen soll und daher der § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 BNatSchG um den zusätzlichen Ausnahmegrund des „Klimas“ zu ergänzen ist […]
werden die Naturschutzverbände aufgefordert.
Klingt zunächst ganz unverfänglich. Erst wenn man sich darüber klar wird, dass der Paragraph 45 des Naturschutz-Gesetzes regelt, wann es Ausnahmen vom Tötungsverbot gibt, wird klar, was das Ministerium per Gesetzesentwurf plant: Legales Vogelschreddern für den Klimaschutz.
Die Paragraphen 44 und 45 BNatSchG regelt den Schutz von Rotmilan und Schwarzstorch, Uhu und Wildkatze davor, ausgerottet zu werden.
Der Entwurf des Umweltministeriums möchte nun eindeutig festlegen, dass es zukünftig möglich sein soll, für die Errichtung von Windanlagen Ausnahmen von diesem Tötungsverbot festzuschreiben. Dazu hat man sich eine ganz harmlose Erklärung ausgedacht:
Die Vorschrift schränkt den Tatbestand des § 44 Absatz 1 Nummer 1 (also das Verbot, Wildtiere zu töten, die Red.) in Übereinstimmung mit der sich namentlich auf betriebs-, aber auch bau- und anlagenbezogene Risiken […] dahingehend ein, dass der unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare durch ein Vorhaben nicht automatisch und immer einen Verstoß gegen das Tötungsverbot darstellt.
Im weiteren Text wird dann die Begründung zum Schreddern geliefert.
Zudem kann auch für Vorhaben privater Träger (gemeint sind Windradbetreiber, die Red.) die Ausnahmevorschrift des § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 in Anspruch genommen werden, wenn zugleich hinreichend gewichtige öffentliche Belange ihre Realisierung erfordern. Im Bereich der Windkraftanlagenerrichtung besteht ein über die Zielsetzung des EEG 2017 vermitteltes öffentliches Interesse an der weiteren nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung und an der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 40-45 % im Jahr 2025 und 55-60 % im Jahr 2035.
Man reibt sich die Augen und fragt sich verwundert, was für eine Aufgabe das Umweltministerium in Zukunft wahrnehmen möchte. Nachdem Ministerin Barbara Hendricks gerade den Lärmschutz in den Städten erfolgreich torpediert hat, ist nun der Artenschutz das nächste „Opfer“ des BMUB.
Nach der gesetzlichen Freigabe, Windanlagen überall in die Landschaft stellen zu dürfen und damit die Landschaft großräumig zu zerstören, sollen nun in einem zweiten Schritt die geschützten Arten dem Lobbydruck der Windradbetreiber weichen. Ein quasi-rechtsfreier Raum, der „Wilde Westen“ für Windanlagen entsteht in Deutschland. Damit stellt sich die Frage, ob die bisher gesetzlich geschützten Wildtiere nun vor der Umweltministerin geschützt werden müssen.
Schreiben Sie an Barbara Hendricks, sie freut sich sicher über Weihnachtspost.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Stresemannstraße 128 – 130
10117 Berlin
Inzwischen wurde auch eine Petition auf Campact gestartet.
https://weact.campact.de/petitions/das-bundesnaturschutzgesetz-darf-nicht-zu-gunsten-der-windenergie-aufgeweicht-werden
Weitere Informationen:
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