Umland, Berlin: EIFELON sprach mit dem Bürgeraktivisten Detlef Ahlborn von Vernunftkraft. Der promovierte Maschinenbauingenieur, begeisterte mathematischer Statistiker und Naturwissenschaftler saß beim gestrigen Treffen als einer von sechs eingeladenen Windenergie-Gegnern mit am Ministertisch und hatte wie die anderen Interessensvertreter drei Minuten Redezeit, um seine Argumente vorzubringen.
EO: Was haben Sie Minister Altmaier gesagt?
Detlef Ahlborn: Die Energiewende mit Energie aus Wind und Sonne ist qualitativ eine nette Idee. Leider funktioniert sie quantitativ, also in Zahlen, nicht, wenn man durchrechnet, etwa was man an Fläche und noch nicht vorhandenen Speichern für ihre Umsetzung benötigt. Mit den 25 Milliarden, die uns das Projekt jährlich kostet, könnten wir den Schweizern zwei Gotthard-Basistunnel spendieren. Jedes Jahr!
Bei Starkwind kann der Strom nicht im Land genutzt werden, er wird gegen Entsorgungsgebühr verklappt. Dafür hat man das schöne Wörtchen Negativpreis erfunden. Im Jahr 2018 betrug diese Entsorgungsgebühr 58 Millionen Euro. Den Windradbetreibern wurde dieser Strommüll mit 410 Millionen Euro vergütet. Macht zusammen 468 Millionen Euro zu Lasten der Verbraucher. Es kommt immer häufiger vor, dass Windräder bei Starkwind abgeschaltet werden müssen, um die Stromnetze zu stabilisieren. Dann kriegen die Betreiber Strom vergütet, den sie hätten produzieren können. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Phantomstrom nennt man das. Kosten für die Verbraucher 228 Millionen Euro in 2018. Der Zappelstrom aus Windrädern schwankt ungefähr doppelt so stark wie die Augenzahlen beim Würfeln. Es wird immer schwieriger, diese Schwankungen auszugleichen. Die Kosten für die erforderlichen Eingriffe ins Stromnetz liegen bei 1,3 Milliarden Euro. Allein für diese drei Positionen sind jährlich rund zwei Milliarden Euro fällig. Für dieses Geld könnten wir der Deutschen Bahn 50 neue ICE-Züge spendieren. Jedes Jahr! Das ist doch Irrsinn!
EO: Wie haben Sie das gestrige Treffen empfunden?
Detlef Ahlborn: Ich war deprimiert darüber, wie das Wirtschaftsministerium arbeitet und wie die Leute dort argumentieren.
EO: Wie meinen Sie das?
Detlef Ahlborn: Ludwig Erhardt hat den Rahmen für die freie soziale Marktwirtschaft bereitet. Sie beruht auf dem Prinzip Wettbewerb und ist unsere größte Erfolgsnummer. Für die Windradbranche hat die Politik diese Gesetzmäßigkeit ausgehebelt. Die Windradbranche hält die Hand auf und die Politik pampert sie mit Milliardenbeträgen. Seit 25 Jahren hat die Windradbranche hunderte Milliarden Euro an Subventionen erhalten und schafft es noch immer nicht, zu natürlichen Wettbewerbsbedingungen auf eigenen Füßen am Markt zu bestehen. Der Bürger zahlt. ‚Wissen Sie, wie viel Arbeitslose das sonst macht?‘, haben die Vertreter den Wirtschaftsminister gefragt. Und Herr Altmaier hat gesagt, er wolle mit der Windradbranche nicht denselben Niedergang erleben wie mit der deutschen Solarbranche. Stattdessen träumen Politiker davon, diese Technologie auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Offensichtlich ist das nicht im gewünschten Umfang möglich, sonst bräuchten sie keine Subventionen.
EO: Bei anderen Industriesparten, etwa der Automobilindustrie, scheinen dem Minister die Arbeitslosen herzlich egal zu sein. Die Verbände der Energiewirtschaft (BDEW) und des Maschinenbaus (VDMA), der Bundesverband Windenergie (BWE), der Verband kommunaler Unternehmer, die Deutschen Umwelthilfe (DHU), WWF, Greenpeace und Germanwatch fordern in einem Zehn-Punkteplan von der Politik, sich klar zum Klimaschutz und damit zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bekennen. Die Politik müsse aktiv für die Windenergie an Land als einen Beitrag zum Klimaschutz werben. Was halten Sie davon?
Detlef Ahlborn: ‚Was Sie tun, ist für den Klimaschutz ohne Wirkung‘, habe ich den Beteiligten gesagt. Ich berufe mich dabei auf den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Demnach war Deutschland 2016 für 2,3 Prozent der weltweiten anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich. 97,7 Prozent entstammen anderen Quellen. Selbst wenn wir unseren CO2-Ausstoß auf null senkten, würden wir den Klimawandel nicht aufhalten. Auch was die Kohlekraftwerke bei uns im Vergleich zu China ausstoßen, sind homöopathische Dosen. Hinzu kommt, dass die Windkraft in Wirklichkeit weniger als drei Prozent zum Primärenergieverbrauch beiträgt. Der Beitrag zur CO2 Reduktion ist, wie man in der Mathematik sagt, in erster Näherung vernachlässigbar.
EO: Damit wir nach der Atomkraft auch aus der Kohle aussteigen können, müssen laut Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ die Erneuerbaren Energien 65 Prozent des Stromverbrauchs abdecken und die Versorgungssicherheit erhalten.
Detlef Ahlborn: Das ist Unsinn. Die Erneuerbaren bieten keine Versorgungssicherheit, weil sie von den Launen des Windes und der Sonne abhängig sind. Inzwischen ist bewiesen: Der wahrscheinlichste Betriebszustand eines Windrads ist der Stillstand! Die Stromspitzen (zuviel Strom) und Stromtäler (zu wenig Strom) lassen sich aus dem Grund auch nicht mit weiteren Windrädern „glätten“, wie es manchmal so schön heißt.
EO: Der Punkteplan sieht die Windenergie an Land als Last- und Zugpferd der Energiewende. Die Energiewirtschaft und die Anlagenhersteller stehen in den Startlöchern, um zu investieren. Es brauche jetzt die richtigen Rahmenbedingungen für den Ausbau.
Detlef Ahlborn: Die Rahmenbedingungen gibt es bereits. Dass derzeit weniger Windräder aufgestellt werden, liegt an den hohen Ausbauzahlen der Vorjahre. Wegen der Ausschreibungen ab 2017 wurden extrem viele Genehmigungen vorgezogen. Politisch gewollt waren in den Jahren 2015 und 2016 2.600 MW und ab 2017 2.800 MW. Der Überschuss seit 2015 beträgt satte 5.300 MW. Mit den in 2019 bisher errichteten 271 MW hätte man selbst bei einem sofortigen Ausbaustopp bis Ende 2020 bereits den Zielkorridor erreicht. Der Bundesverband Windenergie manipuliert die Öffentlichkeit, wenn er behauptet, es gebe zu wenige Genehmigungen. Laut Fachagentur Wind standen Ende Juli 2019 noch 4.324 MW an bereits genehmigten Anlagen bereit, die aber noch nicht gebaut wurden. Das liegt auch nicht an vor Gericht beklagten Verfahren, sondern insbesondere an den überzogenen Renditeerwartungen der Betreiber, die bei den Ausschreibungen nicht mehr erfüllt werden können.
EO: Wie konnte es zu so einer verkorksten Milliarden an Euros verschlingenden Energiewende kommen?
Detlef Ahlborn: Für mich ist die Bildungsmisere in Deutschland der Boden, auf dem diese Energiewende gewachsen ist. Die fehlenden Grundkenntnisse in Mathematik und Physik bei vielen an der Energiewende beteiligten Akteuren, es ist niederschmetternd. Stellen Sie sich einen Wasserschlauch vor: Was in einer Millisekunde am Ende rausfließt, muss am Anfang direkt wieder nachfließen. Auch Strom muss augenblicklich bereit stehen. Da können sie die Leute nicht mit Nennleistungen und Jahresdurchschnittswerten blenden. Mein Eindruck ist außerdem, dass heutzutage physikalische Zusammenhänge in gut oder schlecht eingeteilt werden. Ich sage: Die Versorgungslücke, die die Erneuerbaren hinterlassen, können wir mit Kohle-, Atomstrom oder Gas füllen. Dazwischen haben wir die Wahl. Das war es.
Es ist unglaublich, dass Deutschland mit seiner naturwissenschaftlichen Tradition, seinen Physikern, Mathematikern und Erfindern von Weltrang und Weltruf jetzt auf eine Energieversorgung vertraut, die im Mittel drei Monate im Jahr ausfällt und nicht zur Verfügung steht.
EO: Wie wird das Klimakabinett am 20. September entscheiden?
Detlef Ahlborn: Ich weiß nicht, was sie tun werden. Wenn sie bei Verstand sind, treten sie auf die Bremse. Politik und Windradbranche kann ich nur empfehlen: Machen Sie sich ehrlich. Sagen Sie die Wahrheit.
EO: Herr Ahlborn, wir danken Ihnen für das Gespräch.
„Ziel sei es, einen «nationalen Konsens» zu erreichen wie beim Atom- und Kohleausstieg“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach dem Windradtreffen in Berlin. Dabei soll es etwa darum gehen, mehr Flächen für Windkraftanlagen verfügbar zu machen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. „Außerdem soll die Akzeptanz von Windparks erhöht werden“, heißt es nach einer dpa-Meldung auf welt.de.
Man staunt. Haben Sie an der Urne abgestimmt, ob Sie aus der Atomkraft und der Kohle aussteigen möchten? Oder beläuft sich der Konsens auf von Meinungsinstituten durchgeführten Umfragen? Gekoppelt mit einer Panikaktion der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Fukushima, weitere Wahlen an die Grünen zu verlieren? Wurden Sie damals befragt? Und vor allem: Einem Konsens kann nur eine ergebnisoffene Diskussion vorweggehen, in der Pro und Kontra gleichwertig beäugt werden. Geschah das bei der „strahlenden“ Atomkraft und der „dreckigen“ Kohle? Und wie sieht das jetzt bei den kuschelig grünen Ökowindrädern aus, die ja nun angeblich wirklich niemandem ein Leid zufügen?
Vor allem die Dreistigkeit, einen nationalen Konsens erreichen zu wollen, bei dem Minister Altmaier die Ziele bereits vorgibt: Der Bürger hat es zu begrüßen, dass mehr Flächen für Windkraftanlagen verfügbar gemacht und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Der Bürger, der die Energiewende mit Milliarden Euros bezahlt, hat noch mehr Windparks gefälligst zu akzeptieren. Punkt. Ist das Demokratie?
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