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Energiewende in Deutschland: Viel Wind um wenig Effektivität? [Foto: Vernunftkraft NRW]

Deutsche Klimapolitik: Moralisierend, ineffektiv, ineffizient

Umland: Die Klimapolitik in Deutschland und Europa ist nicht nur ineffektiv, sie hat so gut wie keine Auswirkungen auf das Klima; sie ist auch ineffizient, weil sie höhere volkswirtschaftliche Kosten als nötig verursacht. Es braucht dringend eine sachliche Debatte ohne Moralismus.

Ein Gastkommentar von Prof. Fritz Söllner und Dr. Rupert Pritzl. Der Beitrag wurde am 16. April bei der NZZ veröffentlicht:

Der Philosoph Hermann Lübbe warnte schon 1984 vor einer zunehmenden „Neigung, auf die Herausforderungen von Gegenwartsproblemen moralisierend zu reagieren“. Dieser Satz ist aktueller denn je: Der gesellschaftliche Diskurs wird in vielen Politikbereichen von einem politischen Moralismus geprägt, der eine unvoreingenommene, kritische und sachlich geführte Diskussion behindert, wenn nicht gar unmöglich macht. Dies wird besonders in der Debatte über die Klima- und Energiepolitik sichtbar. Als Ursache für die Klimakrise wird in der öffentlichen Diskussion häufig die niedrige Gesinnung vieler Menschen genannt. Der Klimawandel sei „menschengemacht“ und zudem Produkt absichtlichen Handelns.

Negative Zivilisationsfolgen ­– wie etwa die Gefährdung des Klimas – haben jedoch in der heutigen Welt „überwiegend die handlungstheoretische Charakteristik von Nebenfolge“. Damit ist nicht gemeint, dass es sich um unwichtige oder vernachlässigbare Phänomene handelt, sondern dass sie nicht bewusst herbeigeführt wurden. Vielmehr treten sie typischerweise als unbeabsichtigte Konsequenz auf, wo andere Ziele verfolgt werden: Die Chinesen bauen nicht Kohlekraftwerke, um den CO2 Gehalt der Atmosphäre zu erhöhen, sondern um ihre Wirtschaft verlässlich und günstig mit Energie zu versorgen.

Der „Klimaleugner“ im Focus

Sowohl im Sinn des gesellschaftlichen Friedens als auch im Hinblick auf Lösungen zur Bewältigung der „Nebenfolgen“ ist es wenig zielführend, mit moralischen Anklagen und mit Schuldzuweisungen zu arbeiten. Stattdessen ist es notwendig, die Komplexität der modernen, arbeitsteiligen und ausdifferenzierten Gesellschaft und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen dieser und ihrer natürlichen Umwelt anzuerkennen.

Wenn man die Ursache der Klimakrise in einer „klimaschädlichen“ Gesinnung sieht, dann ist es naheliegend, andere Ansichten und Argumente zu unterdrücken und unschädlich machen zu wollen. Es ist daher gängige Praxis, dass jene, die sich diesbezüglich kritisch äußern, zum Schweigen gebracht werden sollen, indem sie als „Klimaleugner“ oder gar „Klimaverbrecher“ bezeichnet werden. Nicht die argumentative Entgegnung in der klimapolitischen Diskussion wird beabsichtigt, sondern die Diskreditierung und moralische Entwertung der Andersdenkenden.

Auf diese Weise wird mittels Emotionalisierung und Personalisierung in der öffentlichen Debatte eine vernünftige und sachliche Diskussion unmöglich gemacht.

Merkels Atomausstieg

Der Klimaschutz wird heutzutage zur „Überlebensfrage der Menschheit“ hochstilisiert und von vielen als das höchste, wichtigste und dringlichste gesellschaftliche Ziel betrachtet. Kompromisse aufgrund von anderen gesellschaftlichen Zielen werden folglich bei einer Verabsolutierung des Klimazieles nicht gemacht. Um dieses zu erreichen, werden alle erdenklichen Mittel eingesetzt – und seien es auch Verstöße gegen bestehendes Recht und Gesetz. Aber nicht nur bei Klimaaktivisten ist das Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit schwach ausgeprägt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die 2018 gesagt hat, dass die Bundesregierung Recht und Gesetz, „wo immer das notwendig ist“, einhalten wolle, hat es beim überhasteten Atomausstieg mit Recht und Gesetz nicht so ganz genau genommen.

Wer die Klimakrise auf die Unmoral von großen Teilen der Bevölkerung zurückführt, muss gleichzeitig versuchen, eine „gute“ Gesinnung zu bewirken. Aber die eindringlichen Appelle, „zur Vernunft zu kommen“ und „umzukehren“, fruchten sehr wenig – und sind aus ökonomischer Sicht gar nicht anders zu erwarten.

Verhalten ändern, oder?

Wenn die Menschen aber nicht freiwillig ihr Verhalten ändern, dann muss man sie eben mit Geboten und Verboten dazu zwingen. Gutgesinnte handeln immer gut, und Schlechtgesinnte handeln immer schlecht. Gutgesinnte fahren Rad oder Elektroauto, verwenden Energiesparleuchten, leben vegetarisch oder vegan und installieren Photovoltaikanlagen auf den Dächern ihrer Häuser. Alle anderen, die dies nicht freiwillig und aus besserer Einsicht tun, müssen dann angeblich zu einem solchen Verhalten auf die eine oder andere Weise gezwungen werden.

Für eine nüchterne und sachliche Abwägung von Handlungsalternativen bleibt dabei kein Raum. Kohle- und Kernenergie haben nicht jeweils Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt, sondern sind Teufelswerk und müssen baldmöglichst abgeschafft werden. Photovoltaikanlagen und Windräder dürfen hinsichtlich ihrer Kosten und Nutzen nicht mit anderen Arten der Energieerzeugung verglichen werden, sondern stellen den energie- und klimapolitischen Heilsweg dar.

Dabei erweisen sich viele energie- und klimapolitische Vorhaben als reines Wunschdenken und als Illusion, wenn sie mit den harten Tatsachen der ökonomischen und naturwissenschaftlichen Realität konfrontiert werden.

Das Klimaproblem stellt sich aus ökonomischer Sicht wie folgt dar: Die Emission von Treibhausgasen, unter denen CO2 die größte Rolle spielt, erhöht die Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre und trägt so zur Destabilisierung des Klimas bei. Da die damit einhergehenden Kosten nicht von den Emittenten getragen werden, haben diese keinen Anreiz zur Emissionsvermeidung. Eine rationale Klimapolitik kann folglich nur darin bestehen, einen Preis für die Treibhausgasemissionen einzuführen – entweder durch eine Emissionssteuer oder durch ein Emissionsrechtehandelssystem. Da das Klimaproblem ein globales Umweltproblem ist, muss dieser Preis weltweit einheitlich sein. Nur so können die Emissionen effektiv und effizient reduziert werden.

Keine Auswirkungen auf das Klima

Klimapolitisch sinnlos ist dagegen, wenn sich einzelne Länder Emissionsreduktionsziele setzen. Angesichts ihrer relativ geringen Anteile an den weltweiten Emissionen können die EU oder gar Deutschland allein unmöglich für eine spürbare Reduktion der Gesamtemissionen und damit für eine Stabilisierung des Weltklimas sorgen. Solange es keine international koordinierte Klimapolitik gibt, sollten deshalb knappe Ressourcen in die Anpassung an den Klimawandel investiert werden, etwa in die Verstärkung der Nordseedeiche oder den Waldumbau, statt dass sie für wirkungslose Reduktionsanstrengungen verschwendet werden. Die Klimapolitik in Deutschland und Europa ist nicht nur ineffektiv, weil sie so gut wie keine Auswirkungen auf das Klima hat; sie ist auch ineffizient, weil sie höhere volkswirtschaftliche Kosten als nötig verursacht.

Das gilt besonders für die deutsche Klimapolitik: Das im Jahr 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz, das den Ausbau erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung fördert, führt innerhalb des übergreifenden EU-Emissionshandelssystems nicht zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, sondern nur zu einer Verlagerung in andere Länder.

Der Kohleausstiegsbeschluss, die massive Förderung der Elektromobilität und das „Klimapaket 2030“ setzen den Irrweg der deutschen Klimapolitik fort. In eine ähnliche Richtung scheint auch der „Green Deal“ der EU zu gehen; auch bei ihm geht es mehr um die gute Absicht als um eine rationale Politik.

Ursächlich für diese Misere ist nicht etwa mangelndes Wissen um eine bessere Klimapolitik, sondern die bewusste Verweigerung einer rationalen Analyse des Klimaproblems und seiner möglichen Lösungen zugunsten einer emotionalen und gesinnungsbasierten Politik – ursächlich ist der politische Moralismus.

Dr. Fritz Söllner ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der Technischen Universität Ilmenau. Er war an der Universität Bayreuth als Privatdozent tätig und hat sich als John F. Kennedy Fellow an der Harvard University in Cambridge/USA aufgehalten. Seine Forschungsschwerpunkte sind Migrationspolitik, Umweltökonomie und die Geschichte des ökonomischen Denkens. 2019 ist von ihm im Springer-Verlag das Buch „System statt Chaos – Ein Plädoyer für eine rationale Migrationspolitik“ erschienen, 2021 im gleichen Verlag das Buch „Die Geschichte des ökonomischen Denkens“.

Dr. Rupert Pritzl hat Volkswirtschaftslehre, Romanistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Sevilla und Freiburg studiert. Seit 1997 ist er im Bayerischen Wirtschaftsministerium tätig und seit 2021 Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule in München.

 

 

 

Mehr zum Thema:

Der politische Moralismus in der deutschen Klima- und Energiepolitik

23.4.2021PolitikUmland0 Kommentare Gast Autor

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