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Das Interimsverfahren: Neue Regeln gegen Windradlärm. [Foto: cpm]

Ein Chance für Windradlärm geplagte Anwohner: Neues Schallmessverfahren für Windräder in Kraft

Umland: Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionen (LAI) hat Ende November ein neues Verfahren zur Berechnung der Schallemissionen an hohen Windanlagen in Kraft gesetzt. Ab sofort sind die Bezirksregierungen und die Unteren Emissionsschutzbehörden der Kreise gehalten die neuen Schallschutzregeln zu berücksichtigen.

Die LAI-Richtlinien waren bereits im Sommer 2016 erlassen worden, dann aber durch immer neue Überprüfungsanträge der ‚Windlobby‘ bis jetzt verzögert worden.

Im Wesentlichen geht es bei dem komplexen Berechnungsverfahren darum, dass die – bisher zugunsten der Windanlagen angesetzten Bodendämpfungswerte – in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen. Die Gutachter konnten in ihren Berechnungen nach der TA-Lärm bisher eine „Lärmgutschrift“ für die, durch die Erdoberfläche eintretende Schalldämpfung der Rotorgeräusche in Anrechnung bringen.

Diese Möglichkeit nach DIN ISO 9613-2 wird in Zukunft nicht mehr – wie bisher – anerkannt, da sich die Gondelhöhe der modernen Windanlagen mittlerweile in bis zu 170 Meter Höhe befindet und damit eine mögliche Bodendämpfung der Generator- und Flügel-Geräusche nicht mehr zum Tragen kommt. Bis zur Schaffung einer, der Entwicklung angepassten DIN-Norm zielt die „Interimslösung“ des so genannten Interimsverfahrens der LAI darauf ab, diesen Regelungsrückstand den Interessen des Immissionsschutzes entsprechend, zu überbrücken. Experten gehen davon aus, dass sich diese Änderung in der Größenordnung von 3 dB(A) höheren Schallwerten der WEA bewegen wird.

Damit sind natürlich auch die bisherigen Berechnungen und Genehmigungen der Schallbelastung von Windanlagen, die unter den alten, nun ungültigen Kriterien der TA Lärm bzw. der DIN ISO 9613-2 erstellt wurden, zu überprüfen und der Schutz der Wohnbebauung zu erhöhen.

Hier ist aber nun der nächste Konflikt zwischen Genehmigungsbehörden und betroffenen Bürgern programmiert. Wie soll mit den bisher erteilten Genehmigungen umgegangen werden, waren sie doch offensichtlich mit falschen – zu niedrigen – Schallparametern erstellt worden?

Hierzu hat das Verwaltungsgericht in Düsseldorf eine vorausschauende Entscheidung getroffen. Im September – also zwei Monate vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung – hat das Gericht bereits auf die neue Genehmigungslage abgestellt und in einem Urteil die neue Schallberechnungspraxis nach LAI für rechtens erklärt.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil – als erstes Gericht in dieser Sache – einen entscheidenden und daher hoffnungsvollen Weg beschritten!

Es hat dort nämlich eine „rückwirkende“ Anwendungspflicht der neuen LAI-Hinweise und des „Interimsverfahrens“ auf eine bereits im vergangenen Jahr erteilte, aber aufgrund eines Drittwiderspruchs noch nicht bestandskräftige Genehmigung angenommen (Az.: 28 L 3809/17 vom 25.09.2017). Es habe sich ein neuer Stand der Technik durchgesetzt, so dass die TA Lärm und das darin vorgesehene „Alternative Verfahren“ der DIN 9613-2 nicht mehr verbindlich seien, so das Gericht.
Geht man von der Auffassung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes in diesem Urteil aus, wären nachträglich alle Schallimmissionsprognosen nicht nur in aktuell laufendenden Genehmigungsverfahren, sondern auch bei bereits erteilten Genehmigungen, die durch Dritte angefochten wurden, zu prüfen, ob bei Anwendung des „Interimsverfahrens“ die Richtwerte nach der TA Lärm eingehalten werden.
Hier sollte man sich – auf Grund dieses Urteils -, auch bei schon genehmigten Windparks, auf die Auffassung der Richter dieses Urteils berufen und eine „neue Berechnung“ nach Interimsverfahren einfordern und bis dahin einen Bau- oder gar Betriebsstopp einfordern…

so die Ingenieure des Gutachter und Sachverständigen Zentrums für Umwelt-Messungen (GuSZ)

Dem gegenüber versucht der vom NRW Umweltministerium herausgegebene Erlass zur Anwendung der neuen LAI Kriterien vom 29. November eine Rolle rückwärts und will die alten, ungenügenden Schallschutzberechnungen für bereits genehmigte WEA aufrecht erhalten. Anscheinend befürchtet man, hier eine Klagewelle gegen zu nah an der Wohnbebauung errichtete Windanlagen.

Aus dem Erlass:

[Die] Abnahme und Überwachungsmessungen zur Überprüfung des genehmigungskonformen Betriebs von WEA, die nach den alten LAI-Hinweisen genehmigt wurden, sind noch nach dem alten Verfahren durchzuführen, da das Verfahren kompatibel mit dem Genehmigungsbescheid sein muss.

Damit steht diese Passage im Erlass des Umweltministeriums im klaren Gegensatz zum Urteil des Verwaltungsgerichtes, wie auch in einem Schreiben der AG-Windenergie (AGW) an das Umweltministerium angemerkt wird.

„Diese Anweisung berücksichtigt nicht das Urteil des VG Düsseldorf vom 25.09.17 und kann nicht beibehalten werden.“

Die AG-Windenergie fordert vom Umweltministerium, den Erlass zu ändern und das Düsseldorfer Urteil zu berücksichtigen.

Hierzu verweist die AGW auf eine anwaltliche Begründung:

Die Lärmgrenzwerte der TA Lärm ziehen die Grenzen der Zumutbarkeit, ihre Ermittlung durch die DIN ISO 9613-2 entsprach nicht mehr den Dimensionen der technischen Weiterentwicklung der Windkraftanlagen. Bis zur Schaffung einer der Entwicklung angepassten DIN-Norm zielt die Interimslösung des so genannten Interimsverfahrens darauf ab, diesen Regelungsrückstand, den Interessen des Immissionsschutz entsprechend zu überbrücken.

Das bedeutet, dem gesetzlichen Ziel des Immissionsschutzes ist Geltung zu verschaffen.

Neue technische Erkenntnisse sind nicht diskussionsfähig, der Stand moderner Technik ist nicht zu leugnen. Alte LAI-Hinweise sind damit überholt, sie müssen aktualisiert werden. Dies richtet sich auch nach den Zielen, denen die LAI-Hinweise dienen. Die Konkretisierung der Lärmgrenzwerte dient der Erfüllung der Anforderungen an den Schutz der menschlichen Gesundheit. Wenn einmal die Erkenntnis gewonnen ist, dass ein Bewertungsverfahren den Anforderungen an den Gesundheitsschutz nicht entspricht, dann kann es keine Rechtfertigung geben, den gesundheitsschädigenden Zustand beizubehalten, weil der Lärmemittent vielleicht zu einer Zeit genehmigt worden ist, zu der die heutigen Anforderungen an den Gesundheitsschutz noch nicht bekannt waren.

Den gegenwärtigen Zustand sehenden Auges zu tolerieren, bedeutet eine vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Denn für den durch Schall gefährdeten Bürger gibt es kein Ausweichen.

Auch Argumente des Vertrauensschutzes des Investors im Hinblick auf die Rentabilität seiner Windkraftanlage können nicht zum Zuge kommen, denn die menschliche Gesundheit ist nach der Rechtsordnung keine beliebig vermarktungsfähige Handelsware. Im Gegenteil gilt auch hier ein tragender Grundsatz des Eigentums- und Enteignungsrechts:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Jeder Bürger hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Damit steht die juristische Einschätzung im Gegensatz zu dem Erlass des Ministeriums für die ihm unterstellten Instanzen.

Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der neuen Rechtslage für die lärmgeplagten Anlieger bereits errichteter Windanlagen? Auch dazu haben sich Juristen Gedanken gemacht:

Möglichkeiten nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens / der Rechtsbehelfe

In Betracht kommt hier ein Verfahren nach § 51 VwVfG (Wiederaufgreifen des Verfahrens).

Danach hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat.

Zu den Betroffenen zählen insbesondere jene Personen, die durch den ursprünglichen Verwaltungsakt betroffen sind.

Der Begriff der Betroffenheit entspricht in etwa dem der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Auf eine Beteiligung im Sinne des § 13 VwVfG am ursprünglichen Verfahren kommt es nicht an.

Dies bedeutet im Klartext, dass alle Personen, die von Schallimmissionen (im Grenzbereich) betroffen sind, den Antrag nach § 51 VwVfG stellen können.

Ferner sieht § 51 Abs. 3 VwVfG vor, dass der Antrag binnen drei Monaten ab jenem Zeitpunkt gestellt werden muss, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

Als Fristbeginn gilt die Bekanntgabe an die Umweltministerkonferenz am 17.11.2017. Die Dreimonatsfrist endet dementsprechend am 17.2.2018. Da das Fristende auf einen Samstag fällt, endet die Frist am nächsten Werktag, mithin am  19.2.2018.

Die neuen Lärmregelungen nach LAI werden die Mindestentfernung zur Wohnbebauung vergrößern. Unabhängige Experten schätzen den nötigen Sicherheitsabstand, um der neuen Regelung zu genügen, auf mindestens 1.200 Meter bei Großwindanlagen. Gerade für Bewohner im Windrad-nahen-Bereich eine Chance, mit dann verordneten Nachtabschaltungen wieder Schlaf und Ruhe zu finden.

15.12.2017PolitikUmland1 Kommentar cpm

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