Heimbach: Bereits die ersten Töne ließen begeistert aufhorchen. Erst perlend, dann dynamisch- temperamentvoll interpretierte Lars Vogt Robert Schumanns „Kinderszenen“ op. 15, mit denen er das Kammermusik-Festival „Spannungen“ im Heimbacher Jugendstil-Kraftwerk inoffiziell eröffnete. Zunächst suchend, zögerlich steigerte sich der Weltklasse-Pianist zu einer quirligen Virtuosität. Ein grandioses Spektrum der Gefühle.
Kaum war der Applaus verebbt, wandte sich Vogt, seit 22 Jahren künstlerischer Leiter des Festivals, ans Publikum. Die Kompositionen von Schumann seien so, als ob man ein Märchenbuch aufschlage: Der Traum von faszinierend Neuem, Fremden. Gleichzeitig aber bedeute Fremdes auch Spannendes, schlug er den Bogen zum diesjährigen Festival-Motto „Von fremden Länder und Menschen“. Musik sei die einzige Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden werde, und ergänzte: „Wir setzen auf Kunst und musikalische Poesie, damit unsere Herzen offenbleiben für Fremdes.“Ganz gezielt verwies er auf das Event „Junge Bühne“, das während der Festivalwoche traditionell am Donnerstagmorgen im Kraftwerk stattfindet: Busweise reisen dann Schüler nach Heimbach, um die Faszination klassischer Musik kindgerecht zu erleben. Musik-Botschafter aus der weltweiten „Spannungen“-Familie werden außerdem sieben Schulen der umliegenden Kreise besuchen und mit „Rhapsody in school“ klassische Musik hautnah vermitteln. Seine kurze, innige Rede endete mit den Worten: „Ich war gleich bester Laune, als ich nach Heimbach kam – mit einem Lächeln auf den Lippen.“ Kann es für diese kleine Stadt ein schöneres Kompliment geben?
Ohne Förderer und Sponsoren wäre solch eine Konzertreihe nicht zu realisieren, hob anschließend Dr. Hans-Joachim Güttler vom Arbeitskreis Spannungen hervor. Deshalb sei der heutige Abend ein „Dank und ein Geschenk“ an alle Unterstützer. Und mit einem Augenzwinkern verwies er auf die 15. Deutsch-Russische Städtepartnerkonferenz, bei der mehr als 700 Gäste aus Deutschland und Russland miteinander ins Gespräch kommen. Zum Auftakt im Aachener Krönungssaal werde Lars Vogt nächste Woche ebenfalls konzertieren. Mit dem Appell “Seien Sie heute unsere Gäste. Genießen Sie es!“, schloss Güttler seine Rede. „Durch diese wunderbare Musik wird man so in Spannung und Schwingung versetzt, dass das Reden hinterher schwierig wird“, knüpfte NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft, Isabel Pfeiffer-Poensgen, nahtlos an. Das Festival sei inzwischen etabliert, doch immer wieder überraschend neu. „Ihre Förderung ist außergewöhnlich und verdient die Anerkennung der Landesregierung“, formulierte die Ministerin als Dank an die zahlreichen Sponsoren. „Das Schlechte an meinem Beruf ist, dass ich nicht öfter hierher kommen kann“, gab die gebürtige Aachenerin in ihrer Begrüßungsrede ganz offen zu. Wie sehr dem Hauptsponsor innogy das Kammermusik-Festival am Herzen liegt, machte Michael Stangel deutlich. „Endlich ist es wieder soweit“, betonte er. „Uns war klar, weiterzumachen“, erklärte er – selbst bei den derzeitigen Umstrukturierungen des Konzerns. Erst Anfang der Woche seien die Verträge für die folgenden drei Jahre unterzeichnet worden. Bei dieser emotionalen Bestätigung brandete begeistert-erleichterter Applaus auf. „Für uns ist Spannungen eine Herzensangelegenheit“, unterstrich Stangel. Robert Schumanns „Märchenbilder“, op. 113, interpretierten dann die beiden Nachwuchstalente und Stipendiaten Sindy Mohamed, Viola, und Young Hwan Jung, Klavier. Intensiv in die Musik vertieft und trotzdem sphärisch leicht, spielten sie die Komposition mit traumwandlerischer Sicherheit. Kokett und trotzdem mit brillanter Perfektion eroberten sie Kopf, Herz und Bauch der Konzert-Gäste. Atemberaubend war nach der Pause das Klavierquartett g-Moll op. 25 von Johannes Brahms. Gemeinsam mit dem Pianisten Lars Vogt ergab sich im Gesamtklang mit den Streichern (Antje Weithaas, Violine; Volker Jakobsen, Viola; Quirin Viersen, Violoncello) auch eine fulminante Choreographie der Körper, eine optische Harmonie der Geigenbögen. Hochkonzentriert wiegte, streckte sich das Ensemble selbstverloren musizierend, während sich ihre Bewegungen im politierten Steinway-Flügel spiegelten. Ein doppelter Genuss. Ein brillanter Parforce-Ritt durch diese Komposition – bis sich der letzte Ton im architektonischen einmaligen Jugendstil-Kraftwerk auflöste. Andauernder Applaus, Bravo-Rufe und Standing Ovations waren der Dank an die Künstler. Ein Abend von Weltklasse-Niveau.
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