Heimbach, Vlatten: Das Büro für „Ökologie und Landschaftsplanung“ in Stollberg bittet die Naturschutzverbände um Mithilfe bei einer Artenschutzprüfung: Da will also jemand wissen, welche seltenen und eventuell gefährdeten Tiere in einer bestimmten Region unserer Eifel leben. Soweit, so unverfänglich: Die Naturschutzverbände mögen doch dem Planungsbüro Daten zur Verfügung stellen, um in einem genau angegebenen Bereich ein Bild der dort vertretenen Fauna zu erhalten.
Eine solche Analyse kostet viel Geld, wenn sie von einem professionellen Diplom Biologen gemacht wird. Zu welchem Zweck diese Erhebung veranstaltet wird? Um ein neues Schutzgebiet auszuweisen, oder neue Rückzugsmöglichkeiten für bedrängte Tierarten zu erschließen? An dieser Stelle hilft die Betreffzeile aus dem Brief an die Naturschutzverbände weiter: „Planung von Windanlagen in Heimbach“ und weiter im Text „innerhalb der im Anhang gekennzeichneten Fläche ist die Errichtung von Windanlagen geplant“. Ich stutze: Heimbach hat doch bereits zwei Windkonzentrationszonen mit elf Anlagen, liegt so gut wie im Nationalpark Eifel und freut sich jedes Jahr über die steigenden Besucherzahlen, die die kleinste Stadt NRWs kennen lernen möchten. Natur pur und viel Landschaft drum herum. Die unzerstörte Landschaft ist doch das einzige Kapital der Kommune, dieses will man pflegen und ausbauen, heißt es immer wieder.Ein Anruf beim Bürgermeister schafft auch keine Klarheit: „Die Kommune hat keine Artenschutzprüfung auf ihrem Territorium in Auftrag gegeben“, wird mir versichert. Es gäbe auch keine politische Entscheidung, weitere Windräder auf dem Stadtgebiet anzusiedeln. Der Rat der Stadt habe sich erst im Jahr 2015 auf eine Anfrage der „Energie Nordeifel“ (ene) hin, in einer Ratssitzung mit dem Thema auseinandergesetzt und mehrheitlich beschlossen, es bei den zwei vorhandenen Windkonzentrationszonen zu belassen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auf dem Ausbau des Tourismus liegt der zukünftige Schwerpunkt der Stadtentwicklung, weitere Windanlagen seien da kontraproduktiv, hatte es damals geheißen…
Das Gutachter-Büro möchte von den Naturschutzverbänden wissen, ob es „ernstzunehmende Hinweise (im Untersuchungsraum, die Red.) auf Vorkommen von WEA empfindlichen Vogel- und Fledermausarten gibt.“ Ebenso von Interesse sind die „Brutplätze schlaggefährdeter Vogelarten“ – damit sind Vogelarten gemeint, die durch Windanlagen zu Tode kommen. Auch werden „Brutplätze störungsempfindlicher Vogelarten, Rastplätze störungsempfindlicher Vogelarten und Quartiere und Lebensräume schlaggefährdeter Fledermausarten“ abgefragt.
Als Anlage erschließt sich nun auch auf Seite 4 das sogenannte Betrachtungsgebiet: Auf der Karte werden zwei Planungsgebiete westlich und südwestlich, im Bogen um Heimbach-Vlatten dargestellt.Zwei Plangebiete, nördlich und südlich der Landesstraße 218 auf dem so genannten Vlattener Köpfchen und in den Wiesen und Feldern zwischen Vlatten und Hergarten. Hierüber sollen die Naturschutzverbände dem Gutachter berichten, ob es „ernst zu nehmende Hinweise auf Vorkommen von WEA empfindlichen Vogel- und Fledermausarten gibt.“ Alles bitte mit „möglichst konkreten Ortsangaben (mit Jahreszahl)“.
Naheliegend war es nun, nachdem weder die Heimbacher Verwaltung, noch die Politik etwas über die Aktivitäten des Planungsbüros wusste, bei den Firmen nachzufragen, die bereits seit Monaten in Vlatten und Hergarten den Grundeigentümern Angebote machen und – wenn möglich – mit ihnen Pacht-Vorverträge für mögliche Windradstandorte abschließen. Nördlich der L218 ist das die Firma REA aus Düren, südlich bemüht sich Energiekontor aus Aachen. Da die Zonen beider Firmen auf den Unterlagen des Planungsbüros ausgewiesen werden, ist davon auszugehen, dass hier auch gemeinsam geplant wird.
Bei REA ist Firmeninhaber Hans Willy Schruff bei diesem Thema zu keiner Erklärung bereit und verweist auf Geschäftsinterna, legt aber Wert darauf, dass man die Bevölkerung in das Projekt einbinden möchte. Bedenken wegen Schattenwurf und Schall der 200-Meter-Anlagen (70 Meter über dem Ort geplant), welcher praktisch das ganze Siedlungsgebiet von Vlatten betreffen würde, hat er keine. Die modernen Anlagen seien wesentlich leiser und den Schattenwurf könne man technisch in den Griff bekommen.
Bei Energiekontor in Aachen bestätigt man den Auftrag an das „Büro für Ökologie und Landschaftsplanung“, in Heimbach-Vlatten tätig zu werden, verweist aber darauf, dass es noch keine konkreten Verhandlungen gäbe. Man habe lediglich mit dem Bürgermeister verschiedene Beteiligungsmodelle der Stadt an einem Windpark besprochen. Die ökologische Untersuchung finanziere man im Vorfeld aus eigener Tasche, um Klarheit über mögliche Auflagen oder Hinderungsgründe zu erhalten.
Anscheinend besteht die größte Sorge der Planungsfirmen darin, auf Windkraft sensible Vogelarten zu stoßen, für die es gesetzlich geregelte Mindestabstände von 1.500 bis 1.000 Metern zu ihren Nestern gibt. Der Schutz der Vlattener Bevölkerung, die dann praktisch von 23 Windanlagen eingekreist wäre, ist im Vorfeld kein Thema. „Es gelten die gesetzlichen Vorgaben“.Das ist in NRW das Bundesimmissionsschutz-Gesetz (BimschG) aus dem Jahr 1990. Der Schall, den Windanlagen verbreiten, wurde damals in 30 Meter Höhe am Mast gemessen und entspricht heute nicht mehr den Höhenverhältnissen im modernen Windradbau. Einer Aktualisierung der veralteten Werte steht die Politik bisher ablehnend gegenüber. Also wird einfach mit den alten Vorgaben gerechnet. Von einer „10 H Regelung“ (zehnfacher Höhen-Abstand) wie in Bayern oder Sachsen kann man in NRW nur träumen. Hier wird die Planung bis auf „drei H“ an die Wohnhäuser herangetrieben. In NRW gilt: Vogelschutz vor Menschenschutz.
Ob sich die insgesamt zwölf, von den beiden Firmen in Vlatten projektierten Windanlagen in das Landschaftsbild der Eifel einfügen oder es zerstören, ist wenig maßgeblich, wie bereits die Beispiele aus anderen Kommunen belegen. Sowohl das Landschaftsschutzgebiet, als auch der Naturpark Eifel – Hohes Venn sind kein Hinderungsgrund.
Die letzte Instanz ist aber die Stadt Heimbach. Sie hat die Bauhoheit auf ihrem Gebiet. Wenn den Stadträten und dem Bürgermeister der Tourismus und der Schutz der Ortsbevölkerung von Vlatten und Hergarten wichtiger sind, als ein Dutzend 200-Meter-Windräder vor den Toren der Stadt, hätten sie durchaus gute Gründe: Heimbach, die 4.420-Einwohner-Stadt, erzeugt mit Wasserkraft, Wind und Solar bereits heute Strom für mehr als 50.000 Menschen aus erneuerbaren Energien. Damit könnte es eigentlich gut sein.
Bisher 3 Kommentare
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Verschandung der Rureifel.
Wann werden die GRÜNEN und die Gemeinden endlich die Natur und die Bürger schützen ?
Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, wird ja aktuell zumindest schonmal die Natur geschützt. Darum geht es doch offensichtlich bei den erwähnten Anfragen an die Naturschutzverbände.
Was die Verschandlung der Rureifel bzw. der Landschaft insgesamt angeht, so bin ich ganz bei Ihnen. Ich weiß jedoch auch keine Alternative zur Windkraft. Die dreckigen Kohlekraftwerke empfinde ich jedenfalls als das größere Übel für unser schönes Bundesland.
Die Freunde meiner Tochter aus Frankreich finden die Landschaft hingegen sogar mit Windrädern idyllisch. Ihrer Meinung nach strahlt das was Sauberes und Fortschrittliches aus. Sie sagen auch, daß viele naturbewußte Franzosen Deutschland für diesen Fortschritt bewundern. Aber die junge Generation sieht so einiges anders als ich. Was ich machen würde, wenn man so ein Ding vor meiner Haustür baut, weiß ich jedenfalls nicht.
Naja…
die bayerische 10-H-Regelung stellt ja offenbar vielmehr eine verkappte Verhinderungsplanung dar und wird auf Dauer wahrscheinlich zu einer Stagnation der Windkraftentwicklung führen. Aber dies ist von der dortigen Regierung ja auch offensiv bezweckt worden. Der Weisheit letzter Schluss kann dies sicherlich nicht sein. Man sollte hier ein gesundes Verhältnis anstreben. Auch der in dem Artikel angestrengte Vergleich der gesetzlichen Gewichtungen von Vogelschutz und Menschenschutz hinkt meines Erachtens etwas. In meinem Nachbarort jedenfalls konnte ein Bürger gegen die Genehmigung einer Windanlage klagen, weil er sich gestört fühlte, obwohl der Abstand zu seinem Haus mehr als einen Kilometer beträgt. Zudem sind Menschen im Gegensatz zu Vögeln ja keine potentiellen Schlagopfer, da sie ja nunmal nicht auf Nahrungssuche durch die Gegend fliegen. Daher sind nach meinem Dafürhalten schon die Schutzrichtungen der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben recht unterschiedlich.
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