Monschau, Kalterherberg: Eine lange Anfahrt ist es schon. Uneingeweihte würden an diesem Ort vom Ende der Welt sprechen. Doch Insider wissen: Nahe der Narzissenwiesen am malerischen Perlenbach, an dem Touristen einmal jährlich das Märchen des Naturschauspiels erfahren, kann man dem Himmel ein wenig näher sein als andernorts. Das liegt nicht nur an der Kalterherberger Höhenlage, sondern auch an einem der ältesten Musikinstrumente der Welt: Der Harfe, von der die Menschen früher glaubten, sie eröffne ihnen den Himmel.
Am Ende einer Sackgasse im Theißbaumweg ist das Ziel erreicht. „Harfen-Müller“ steht auf einem schlichten, weißen Schild geschrieben. Vor genau einem Jahr ließ sich das Ehepaar Müller aus Langerwehe hier nieder, um ihrer Passion nachzugehen: Dem Harfenspiel und dem Harfenbau.
„Ich wollte dieses ursprüngliche, alte Instrument, das bei uns in Vergessenheit geraten ist, wieder unters Volk bringen, seinem elitären, unerreichbaren Ruf etwas entgegensetzen,“ erzählt die Harfenlehrerin Renate Müller. Jeder kennt das Instrument, jeder liebt es, doch kaum einer spielt es. Sein Platz scheint in unseren Breiten den großen Synphonieorchestern vorbehalten. Nur im süddeutschen Raum ist das Saiteninstrument traditionell in der Volksmusik zu finden und schmückt dort die heimischen Wohnzimmer. Die Musikerin Müller ist überzeugt: „Wer Harfe spielt, braucht keinen Psychotherapeuten. Sie ist Balsam für die Seele, ihre Schwingungen setzten unmittelbar Gefühle in Bewegung, sie berühren mich und Andere.“ Das Spiel stärkt den Organismus, ist Therapie bei Burnout, beugt vor gegen Demenz und hilft gegen Stress. Weitere Vorteile: Die Haltung beim Harfe-Spiel ist unverkrampft und natürlich.
Wie bei jedem Zupfinstrument entsteht der Ton in der Entspannung, im Loslassen der Saiten. Schon einfache Lieder begeistern Spieler wie Zuhörer, da die Harfe von Natur aus schön klingt. An der Saitenfolge wird die komplizierte Harmonielehre offensichtlich. Trotz viel Enthusiasmus kam die Harfenlehrerin zunächst nicht weit: Bezahlbare Harfen für ihre Schüler zu bekommen, war unmöglich. So versuchte sie es mit Harfen aus dem Ausland. Leider war der Klang der Saiten nicht zufriedenstellend. Der Versuch, sie durch modernere zu ersetzen, endete gefährlich: Die Harfe explodierte. Eine Herausforderung für Renate Müllers Mann, einen Techniker, der sich nach mehrmaligen Reparaturversuchen entschloss, die Harfen lieber gleich neu zu bauen. Es entstand die erste Müllerharfe.
So watscheln inzwischen in der frühmusikalischen Erziehung gelbe, türkise, blaue und rote Harfen-Enten durch die Musikschulen der Republik – made im Monschauer Land. Auch erwachsene Kinder sind bedacht. Sie können wählen zwischen Raketenfüßen und „Müllerfüßen“ in Größe 40, der fröhlichen Reiseharfe „Paddy“ oder der Bikerharfe „Harry“. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Alle Modelle sind höhenverstellbar, damit jeder bequem sitzen kann und die Instrumente leicht zu transportieren sind.
Nahe „Kleinfrankreich“ im hohen Kalterherberg hat sich unbemerkt jeder Öffentlichkeit eine Harfenproduktionsstätte etabliert, die ins In- und Ausland ihre Harfen vertreibt und von dort auch regen Besuch bekommt. So erinnert sich Renate Müller an einen Zugtransport von vier Harfen nach Berlin in einem Buggi oder an einen Afrikaner, der in ihren Harfen genau das richtige Geburtstagsgeschenk für seine Tochter fand. Es ist einiges los in dem abgelegenen Örtchen, und es ist immer die Musik, die die Menschen im Wohnzimmer der Familie Müller verbindet. So wird jeden Sonntag im Theißbaumweg musiziert, zwei kritische Papageien im Riesenkäfig kommentieren das Geschehen. Ob beim Maisingen, Sommerfest oder Adventssingen: Besucher sind stets herzlich willkommen. Interessierte finden Informationen auf www.harfenmueller.de. [JK]
Bisher 2 Kommentare
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Nahe “Klein Frankreich” im hohen Kalterherberg ! …
Nahe > “Kleinfrankreich” ein Wort !
Ist verbessert. Danke für den Hinweis.
lg
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