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Paderborn-Dahl: Keine Montage. [Foto: Vernunftkraft NRW]

Erneuerbare Energien per Notstandsgesetz erzwingen?

Eifel: Seit 2011 beobachtet der im Hunsrück lebende Journalist und Filmautor Jörg Rehmann die Energiewende. Sein Schwerpunkt liegt weniger auf den wissenschaftlichen Hintergründen als auf der Methodik des Vorgehens. Sein Dokumentarfilm „End of Landschaft – Wie Deutschland das Gesicht verliert“ (2018) gehört zu den meistgespielten Kino-Dokumentationen des Genres und zog bisher rund 130.000 Besucher an.

Im folgenden Text kommentiert Jörg Rehmann das Vorhaben der Bundesregierung, in einer Art „Notstands-Gesetzgebung“ sämtliche Rechtsschutzmittel für Bürger und Umweltverbände gegen Eingriffe im Rahmen der erneuerbaren Energien auszuräumen:


„Jetzt ist es also raus: Die Bundesregierung will den Ausbau der Erneuerbaren zu einer Frage der „nationalen Sicherheit“ erheben. Dabei ist es genau diese Regierung, die ausgerechnet unter Leitung der Physikerin Merkel die Perspektiven für moderne, zukunftsorientierte und klimafreundliche Technologien buchstäblich „in den Wind“ geschlagen hat. Stattdessen führt sie die Nation auf die schmale Brücke von Sonne und Windkraft.

Wenn wir schon über „nationale Sicherheit“ sprechen, müsste eines klar sein: wer ein Industrieland wie Deutschland im Herzen Europas alternativlos auf unsichere Energieträger wie Sonne und Wind zurücksetzen will, der gefährdet die nationale Sicherheit und Ordnung. Und genau das ist ja eingetreten: Der deutsche Alleingang in der Energiepolitik wird von keinem EU-Partner in derart archaischer Weise nachvollzogen. Die elementaren Zweifel und Widersprüche wurden der deutschen Energiewende gleich mit in die Wiege gelegt: Einerseits wurde sie stets als „großes Gemeinschaftsprojekt“ stilisiert; doch andererseits waren dort, wo Eingriffe in den Lebensraum von Mensch und Natur anstanden, die Mitwirkungsmöglichkeiten von Anbeginn nahezu ausgeschlossen.

Ganze Regionen, Lebens- und Erholungsräume hunderttausender Menschen wurden bundesweit mit Windrädern zugepflastert. Die entsetzten Bürger durften sich in vermeintlichen Beteiligungsverfahren abarbeiten, oft ohne dass sie auch nur die geringste Chance auf Mitgestaltung und Abwendung von Zumutungen hatten. Im Gegenteil: Tausende Informationsveranstaltungen wurden vor gravierenden Eingriffen durchgeführt, doch den Bürgern gestand man nur ein rigide eingeschränktes „Fragerecht“ zu. Meinungen, Kritik und erst recht unbequeme Fragen wurden rigoros abgewürgt. Ich habe selbst etliche solcher Veranstaltungen bundesweit beobachtet.

Im Odenwald, eine der schönsten und wertvollsten Landschaften, hat man es jahrelang zugelassen, dass Windräder allein auf Basis der Privilegierung kreuz und quer aufgestellt werden durften. Als endlich Einigkeit über eine leidlich geordnete Planung bestand, wurde die bis dahin geschaffene Belastung durch die längst umgesetzten Bauvorhaben einfach nicht mehr mit den Menschen diskutiert. Tausendfach haben sich seitdem Fälle ereignet, in denen die rigorose Vorgehensweise bei der Energiewende sichtbar wurde: ob Lärmschutz für Bürger, Umzingelung zahlloser Siedlungen, Einbußen beim Tourismus, ruppiger Umgang mit Belangen der Flugsicherung und Nachrang von Natur-, Arten- oder Denkmalschutz.

Zuverlässig blieben allenfalls die seit 2015 verdoppelten Kosten auf der Stromrechnung. Auch das Hineinwuchern von Energiefirmen in regionale Verwaltungen blieb vielen Bürgern nicht verborgen: Da tauchten plötzlich neue Mitarbeiter in Genehmigungsbehörden auf, die in Diensten von Windkraft-Projektierern standen und mit allen Vollmachten ausgestattet wurden. So etwa in einem Baden-Württembergischen Landkreis, in dem die Lobbyistin eines Windkraftverbandes in der Genehmigunsbehörde sitzt.

In zahllose friedliche Landregionen fallen Projektierer von Windkraftfirmen ein, infiltrieren gezielt Vereine und Initiativen, wedeln mit Scheckbüchern, protegieren Willige und bekämpfen Kritiker.

In Reinheim im Odenwald erfuhr der Gemeinderat erst durch Wanderer, dass eine Windkraftfirma den Gemeindewald für einen Windpark verplant und bereits Vermessungen durchgeführt hatte. So dicht wie die Landkarte der Windräder sind die endlos vielen Konflikte, die das Leben der Landbevölkerung seither unter dem Vorzeichen eines „Klimaschutzes“ zersetzen. Nur wer bedingungslos dem grünen Energieplan zustimmt, wird protegiert.

Seit 2011 habe ich viele Profile von Menschen im Netz beobachtet, die sich mit den Auswirkungen der Energiewende in ihrem Lebensumfeld beschäftigten. Da las man jahrelang von Interesse, von Zustimmung, vom Willen zur Mitgestaltung. Als irgendwann klar wurde, dass die Vorhaben mehrheitlich eben nicht mit, sondern gegen die Betroffenen vor Ort durchgezogen werden sollten, kippte die Stimmung. Als sich dann auch noch 2015 Merkels Alleingang bei der Flüchtlingspolitik vollzog, schlug die Wut vieler Enttäuschten über. Wenn ich diese Profile im Netz heute besuche, finden sich dort außer der Ablehnung gegen Windräder meist die Verweigerung von Corona-Maßnahmen und die wildesten Verschwörungstheorien – man kann sagen: eine Generalkündigung dieser Bürger gegenüber dem gesamten politischen System.

Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen der Medien, keiner von Ihnen hat sich bislang die Mühe gemacht, diese ursächlichen Zusammenhänge einmal aufzuarbeiten. Im Gegenteil: Zahllosen Autoren genügt es, Gegner und „Leugner“ irgendeiner Sache zu benennen, ohne an die Ursachen dieser um sich greifenden Verweigerungshaltung zu gehen. Ich behaupte, dass der ruppige und undemokratische Umgang bei der Energiewende in vielen Regionen überhaupt erst den Boden für Radikalisierung, Extremismus und rechte Auswüchse bereitet hat

Oft ist es nicht die politische Losung, welche die wahre Absicht der Mächtigen verrät, sondern die Art ihres Vorgehens. Am Anfang der deutschen Energiewende stand ein GAU eines japanischen Kernkraftwerks am anderen Ende der Welt, errichtet in einem Seebeben-gefährdeten Gebiet. Der von Merkel eigenmächtig verkündete, übereilte Ausstieg aus der bis dahin sicheren deutschen Kernenergie war ein rein politischer Schachzug. Er stand im Kontext mit Merkels Neigung, den politischen Konkurrenten wichtige Themen abzujagen. Daraus wurde bis heute eine Kaskade zunehmender „Alternativlosigkeiten“:

Erst schaltet man die natürlich unschöne, aber wenigstens noch verlässliche, CO2-freundliche Kerntechnik ab. Dann müssen CO2-Schleudern auf Basis von Kohle den Flatterstrom der Erneuerbaren teuer abpuffern. Nun riskiert man hunderttausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie, liquidiert modernste Diesel-Spitzentechnologie und forciert stattdessen die E-Mobilität. Doch jetzt beanspruchen diese E-Mobile genau die Stromreserven, die für den Ersatz der letzten Fossil- und Atomkraftwerke eingeplant waren. Um die offen sichtbare Kluft zwischen Erzeugung und Bedarf abzudecken, abonniert man Erdgas von einem Nowitschok-Mordsregime. Und nachdem sich abzeichnet, dass auch dies ein ruinöser Politikfehler war, will man durch die Hintertür mit einer EEG-Novelle die „nationale Sicherheit“ retten. Dem Bundesverband Windenergie ließ man seit 2017 reichlich Zeit, an Gesetzesvorhaben mitzuwirken. Den Umwelt- und Bürgerverbänden präsentiert man die jetzige EEG-Novelle erst am 14. September dieses Jahres, mit lediglich 2 Tagen Frist zur Stellungnahme. Soviel zum großen Gesellschaftsprojekt Energiewende.

Nein, hier muss durch ein Gesetz eben nicht die „nationale Sicherheit“ gerettet werden. Vielmehr hat die Bundesregierung mit einer fehlgeleiteten Energiewende das Land und seine Menschen systematisch in eine Sackgasse laufen lassen, bis endlich nichts weiter übrig bleibt als Pest oder Cholera. Das ist dann wohl jene Alternativlosigkeit, von der Bundeskanzlerin Merkel zu Beginn der Energiewende immer sprach. Es ist aber auch die formale Kapitulation eines dirigistischen Projektes, das mal für Klimaschutz stand, und das nun qua Notstandsgesetz genau dem Notstand abhelfen soll, den es selbst geschaffen hat.

Das spielt genau jenen in die Hände, die man mit schlecht gemachtem Klimaschutz schon lange verprellt hat, und die ohnehin im Staat nur noch den Hort des Konspirativen sehen. Wer jetzt die „woke“ deutsche Klimaparty nur retten kann, indem man Windräder und Energietechnik zum Objekt nationaler Sicherheit hochtransformiert und mit der Brechstange herbeizwingt, hat energiepolitisch längst abgedankt.“ [Gastautor]

Jörg Rehmann ist seit 1987 freier Journalist. Nach langjähriger Tätigkeit beim Wiesbadener Tagblatt arbeitete er für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und TV. Heute ist er freier Filmautor und produziert hauptsächlich Kino-Dokumentarfilme.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 13. Oktober 2020 auf der Videoplattform Vimeo unter dem Link https://vimeo.com/467730269
Alternativ können Sie ihn auf der Webseite des Autors finden unter https://joerg-rehmann.de/blog/2020/10/13/eeg_notstandsgesetz/

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23.10.2020PolitikEifel0 Kommentare Gast Autor

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