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Windparks zukünftig ohne Mitsprache der Anwohner? [Foto: cpm]

Investitionbeschleunigungsgesetz im Bundestag beschlossen

Umland, Berlin: „Eine massive Aushebelung unserer Rechtsgüter?“, fragte EIFELON, als die Pläne der Bundesregierung im Sommer bekannt wurden, mit einem Investitions-Beschleunigungs-Gesetz (lnvestbeschlG) zum Ausbau von Bahntrassen und Infrastrukturprojekten auch gleich massiv in die Genehmigungspraxis von Windenergieanlagen einzugreifen. Am Donnerstag wurde das Gesetz im Bundestag abgesegnet. Es sieht massive Eingriffe in die Rechtsordnung, die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), das UVP Gesetz, und des Bundesnaturschutz-Gesetzes (BNatSchG) vor.

Eine Gerichtsinstanz soll in den Genehmigungsverfahren entfallen. Die gesetzlichen Änderungen sind unter Juristen und Naturschützern heftig umstritten, hebeln sie doch in einem hohen Maß die Bürgerbeteiligung und die Möglichkeiten, sich gerichtlich zur Wehr zu setzen, aus. (EIFELON berichtete)

In einem Gutachten für die BI Gegenwind Frettertal nimmt der Jurist und Anwalt Thomas Mock zu dem Gesetz und seiner fragwürdigen Begründung Stellung:

Rechtsstaatlichkeit und Wegfall einer verwaltungsgerichtlichen Instanz

lm Investitionsbeschleunigungsgesetz (lnvestbeschlG ) soll insbesondere zugunsten der Windprojektierer eine verwaltungsgerichtliche Instanz aufgehoben werden mit dem seit Monaten wiederholt geäußerten Argument, der sich für Projektierer einsetzenden Lobby-Verbände (BWE, BEE, BDEW u.a. ), Nachbarschaftsklagen würden Windanlagen verhindern oder würden sogar missbräuchlich genutzt.

Diese Behauptungen seitens der Verbände sind durch keinerlei Zahlen belegt und mit den Fakten nicht vereinbar.
 Auch das Wirtschafts- und Umweltministerium (BMWi/BMU) legen dazu keinerlei belastbare Zahlen vor.

Es gibt in Deutschland fast keine Windanlagen, die durch Nachbarklagen verzögert oder verhindert werden.

Durch den Wegfall einer Gerichtsinstanz wird keine einzige Windanlage schneller oder kann erst nachträglich errichtet werden. Es gibt keinen lnvestitionsstau durch Nachbarklagen bei Windanlagen; es wird durch einen solchen Eingriff in die seit Jahrzehnten bewährte bürgernahe Rechtsstaatlichkeit keinerlei lnvestitionsstau aufgelöst.

Eine Projektgesellschaft, die einen Antrag nach Bundes-Immissions-Schutz-Gesetz (BlmSchG) für die Errichtung eine Windanlage stellt, hat einen Anspruch auf diese Genehmigung, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Private Rechte Dritter haben keine Relevanz und vermögen eine Genehmigung in der Regel nicht zu verhindern. Um seine Interessen zu verfolgen, hat der betroffene Anwohner keine Wahl als gegen die Genehmigung Klage zu erheben.

Wenn betroffene Anwohner gegen eine Windanlage Klage erheben, hat die Klage zwar aufschiebende Wirkung, stoppt den Bau also formal. Jedoch beantragt der Projektierer umgehend die „sofortige Vollziehung“ der Baugenehmigung, die durch die Genehmigungsbehörde erfahrungsgemäß zu annähernd 100% in der Regel nach einem oder zwei Tagen erteilt wird. Damit ist die aufschiebende Wirkung der Klage faktisch beendet, bevor sie begonnen hat.

Der Rechtsweg in Eilverfahren vor Gerichten hiergegen, zwecks Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch Nachbarn, ist zu mindestens 90 Prozent erfolglos.
Im Klageverfahren selbst können zudem Fehler im Genehmigungsverfahren fast immer, durch nachträgliche Auflagen in der Genehmigung, „geheilt“ werden. Mit solchen Folgen haben Projektierer keine Probleme und das ist auch allgemein bekannt. Deshalb werden Windanlagen nach Erteilung einer Genehmigung und eines EEG-Vergütungszuschlags durch die Bundesnetzagentur immer umgehend errichtet, unbeschadet hiergegen laufender Gerichtsverfahren. Folglich sind Windanlagen in der Regel bereits lange in Betrieb, bevor das zuständige Gericht verhandelt und ein Urteil spricht.

Es braucht deshalb keiner gesetzlichen Regelungen zu einer „sofortigen Vollziehung“, wie in den vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, weil es diese in der Praxis seit Jahrzehnten, in einer insbesondere für die Projektierer von Windanlagen bewährten und objektiv belastbaren Form gibt. Das gilt erst recht für den geplanten Wegfall einer Gerichtsinstanz in solchen Verfahren. Angesichts der schon bisher starken Stellung von Projektierern und eingeschränkten Rechte von betroffenen Anwohnern würden die wenigen Möglichkeiten für die Anwohner, überhaupt ihre Rechte zur Geltung bringen können, massivst beschnitten. Zur Steigerung der niedrigen Akzeptanz in der Bevölkerung wird das erst recht nicht beitragen.

Nach internen Recherchen gibt es in ganz Deutschland aktuell überhaupt nur drei oder vier Verfahren, in denen in den letzten Jahren Windanlagen wegen einer Nachbarklage vorerst nicht errichtet wurden.
 Diese Verfahren betreffen allerdings Standorte von ca. 320-700 Meter Abstand von Windanlagen zu Wohnhäusern, mithin Abstände, die angesichts der zukünftig vorgesehenen (mehr oder weniger) 1.000 Meter Abständen, nicht mehr zu erwarten wären.

Wenn aber zugleich die 1.000-Meter-Mindestabstände von Windanlagen zu Wohnhäusern verlässlich kommen, fallen die bisher einzig relevanten Gründe, die den Bau von Windanlagen verzögerten (in wenigen Verfahren, s.o.) sowieso weg. Warum braucht es dann solch massiver Eingriffe bei Nachbarklagen in Jahrzehnte bewährte gerichtliche Instanzenzüge und Verfahren? Das ist weder denklogisch, noch erschließt es sich unabhängigen Dritten.

Das heißt in der Praxis, dass trotz zahlreicher Klageverfahren diese nur selten den Bau von Windanlagen behindert oder verzögert haben. Nachbarklagen per se als solche heranzuziehen (ohne auf ihre in solchen Fällen geringe Durchschlagskraft hinzuweisen), um einen Instanzenzug für diese (insoweit die Fakten verdrehende) kleine Interessesgruppe der Projektierer entfallen zu lassen, ist eine beispiellose Einschränkung jahrzehntelanger bewährter Rechtsstaatlichkeit […]

Da auch keine Not, oder sonstigen besonderen oder außerordentlichen Umstände vorliegen, (s.o.) die einen solchen Schritt begründen könnten, sind der Wegfall einer verwaltungsgerichtlichen Instanz – wie der besondere Sofortvollzug – unverhältnismäßig, wenn nicht sogar verfassungswidrig. Er stellt ohne Not einen schweren Eingriff in das in sich abgewogene und austarierte Rechtsstaatssystem dar und verringert die rechtsdemokratische Teilhabe eines großen Teils der unmittelbar betroffenen Bevölkerung und bedient besondere Finanzinteressen einer sehr kleinen Gruppe von Projektierern mit starker verbands- und lobbyseitiger Unterstützung.

Auszug aus dem Gutachten zu einigen Aspekten der EEG-Novelle 2020 und des Investitions-Beschleunigungs-Gesetzes im Lichte der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Schutzes der Biodiversität, des Artenschutzes, der Klimaziele und der zugrunde liegenden Wissenschaft. Autor: RA Thomas Mock

lm Auftrag der Interessengemeinschaft Gegenwind Frettertal: http://gegenwind.frettertal.com/

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6.11.2020PolitikUmland, Berlin0 Kommentare Gast Autor

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