Heimbach: „Was Sie hier sehen, ist ein Teppich von Köpfen“, sagte Professor Frank Günter Zehnder. Damit hat der Direktor der Internationalen Kunstakademie Heimbach nicht übertrieben. Im Laufe mehrerer Wochen ist mit dem Künstler Ira Marom ein ganz besonderes Kunstwerk entstanden: Portrait an Portrait reiht sich auf den Paletten in der Kunstakademie – alle aus Sand entstanden. „Partnerschaft im Sand“ (PiSP) heißt das Projekt, das in diesem Jahr noch in verschiedenen weiteren Städten und Kommunen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird. In Heimbach fiel der Startschuss für die Aktion. Auch Mitglieder der EIFELON-Redaktion waren daran beteiligt (wir berichteten).
Mit einer offiziellen Zeremonie wurden diese Sandbilder nun aufgelöst, denn dies ist die Absicht des Künstlers: Sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst werden. Es geht ums Loslassen. Den Sand kippte Ira Marom anschließend behutsam in die Rur und Sandkorn für Sandkorn wird sich nun über die Flüsse und Ozeane in der Welt verteilen.
Normalerweise seien Bilder in der Kunst auf Dauer angelegt, hier sei es anders, erklärte Zehnder. Es sei eine Metapher, nicht nur für die Verletzbarkeit des Bildes, sondern „die Verletzbarkeit ist in mir.“ Ganz vorsichtig seien die Besucher bei der Arbeit gewesen, denn das Material sei sehr empfindlich. Schon ein kleiner Wisch, ein Niesen verändere das Bild. Doch die Energie bleibe erhalten, der Sand transportiert sie weiter. „Es hört nicht auf, der Sand wird woanders gebraucht. Wir mischen uns dann mit anderen Personen“, vermittelte Zehnder. Denn der Künstler Marom und die Teilnehmer der Aktion haben nicht den gesamten Sand zur Rur gebracht, sondern nur einen Teil der Portraits. Der übrige Sand wurde aufgefangen und wird in den nächsten Projekten weiterverwendet. „Mir ist es wichtig, dass die Energie darin enthalten bleibt, dass sie sich potenziert“, betonte Ira Marom. Das Projekt ist dem Künstler wichtig:
„PiSP zeigt wie die kleinen zerbrechlichen Portraits zu einer großen starken Entität werden. In diesem Zusammenhang visualisiert die Sandinstallation die innere Dynamik einer intakten Gesellschaft. Es ist eine Hommage, die die eigene Vergänglichkeit zu einem Leitfaden der Mitmenschlichkeit und Solidarität macht. Im Sinne von Performance-Aktionen vermittelt die Heimbacher Installation die Botschaft, dass es in der Kunst nicht nur um das Festhalten von menschlichen Spuren geht, sondern auch um Verinnerlichung von wertvollen kreativen Prozessen, die man nicht unbedingt behalten muss. Hier bietet die Kunst eine Alternative – eine Meditation, die das Erscheinen akzeptiert, genießt, bewundert und wieder Abgeben möglich macht.“
Mit zarten Pinseln wurden die rieselnden Sandbilder – Strich für Strich – zumeist nachdenklich verwischt. So, wie sie reflektierend entstanden sind… Manche Teilnehmer der Auflösungs-Zeremonie hatten es allerdings auch eilig. Wusch, wusch, weg. Es war ein philosophisches Auseinandersetzen mit der eigenen Vergänglichkeit. Zuschauen, abwarten, zerrinnen… Es war wundervoll zu sehen, wie liebevoll zum Teil Menschen Abschied nahmen. Mal zart, streichelnd, dann versunken in kreisenden Bewegungen,
Manche verwischten aber auch unwirsch ihr eigenes, vergängliches Konterfei, oder das Portrait eines der anderen, zahlreichen Menschen, die sich auf dieses Experiment eingelassen hatten. Einige der vergänglichen Portraits, die demnächst in Düsseldorf ausgestellt werden sollen, waren zuvor mit einem weißen Blatt abgedeckt worden und hatten Bestandsschutz. Diese Sandportraits werden dann – in einem Pizza-Karton – vorsichtig zum Ausstellungsort transportiert.
Sobald die Sandbilder aufgelöst waren, wurde der pigmentierte Sand in Körbe gekippt, um bald achtsam und respektvoll erneut in vergängliche Bilder verwandelt zu werden. Während dieser Vanitas-Zermonie begannen die Glocken der Heimbacher Wallfahrtskirche zu läuten: Asche zu Asche, Staub zu Staub.
Ein Teil der ‚Selbstdarstellungen‘ wurde anschließend der Rur übergeben.
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