Kreise, Kreis Euskirchen: Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichtes Aachen hat dem Eilantrag des Naturschutzbundes NRW (NABU) gegen die Genehmigung des Kreises Euskirchen zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windkraftanlagen in der Eifelgemeinde Dahlem stattgegeben. Damit müssen die Bauarbeiten im Kammerwald (Dahlem IV) eingestellt werden. Für alle Windräder sind die Fundamente errichtet, außerdem stehen bereits zwei Türme.
„Allein die Auswirkungen auf den Schwarzstorch hat das Verwaltungsgericht schon für so gravierend gehalten, dass weitere fachliche Mängel und vom NABU aufgeworfene Fragen nicht mehr vom Gericht bewertet wurden“,
so Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW. So fehle unter anderem eine Bestandserhebung der Fledermäuse für das Projektgebiet, die Bewertung der Auswirkungen auf Rotmilan und Wildkatze seien fehlerhaft, die Auswirkungen des Planungsvorhabens auf den europäischen Biotopverbundkorridor, der durch Dahlem IV endgültig durchtrennt würde, oder die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie seien bislang nur unzureichend berücksichtigt worden.
Dahlems Bürgermeister Jan Lembach kann – nach seinen Aussagen in einer ersten öffentlichen Stellungnahme – nicht nachvollziehen, was der Kreis falsch gemacht haben könnte. Demgegenüber stellt das Gericht in aller Deutlichkeit fest, dass der Genehmigungsbehörde ein „beachtlicher Verfahrensfehler“ unterlaufen sei. Denn: Es sei nicht nachvollziehbar geprüft worden, ob durch den Bau der Windräder im Kammerwald der Schwarzstorch gefährdet werde. Die durchgeführten Untersuchungen seien hierfür nicht ausreichend gewesen. Es sei insbesondere keine gezielte Raumnutzungsanalyse für den Schwarzstorch durchgeführt worden. Daher sei nicht davon auszugehen, dass mit der zufälligen Beobachtung von Flugbewegungen des Schwarzstorches anlässlich der Raumnutzungsanalyse des Rotmilans die Schwarzstorchaktivitäten im Baugebiet zuverlässig erfasst worden seien. Angesichts dieses beachtlichen Fehlers kommt das Verwaltungsgericht nach dem jetzigen Sach- und Erkenntnisstand zu dem Ergebnis, dass die angefochtene Genehmigung im Hauptverfahren aufgehoben werde.
Presseveröffentlichung Verwaltungsgericht Aachen: http://www.vg-aachen.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/13_170724/index.php
Damit ist völlig klar, dass die Kreisverwaltung Euskirchen bei der Genehmigung der fünf Windkraftanlagen nur unzureichend geprüft hat.
„Es beginnt schon damit, dass die Betreiberfirma Dunoair als zukünftiger Windkraftprofiteur das nötige Artenschutzgutachten wie üblich in ihrem Auftrag erstellen lässt. Das heißt, sie hat möglicherweise auch Einfluss darauf, welche Vogel- und Tierarten erfasst werden und wie untersucht wird. Das erklärt, warum Gutachter nach unseren Erfahrungen besonders geschützte Rotmilane oder Schwarzstörche über dem Baugebiet oft ‚übersehen‘, an denen sich aber Naturschützer Tag für Tag erfreuen,
betonen Heinz-Rüdiger und Irene Hugo von der Bürgerinitiative „Ländchen gegen Dahlem IV“.
„Dunoair ist auch bekannt dafür, Anträge auf eine Ausnahme vom Tötungsverbot zu stellen, so z.B. beim Uhu im „Windpark Weibern Rieden“ in Rheinland-Pfalz, obwohl dort bereits vorher drei tote Uhus aufgefunden wurden. Das Unternehmen scheut offensichtlich nicht davor zurück, praktisch die ‚Lizenz zum Töten‘ zu beantragen“, so die NATURSCHUTZINITIATIVE e.V. (NI) in einer Stellungnahme zu der Gerichtsentscheidung.
EIFELON berichtete: https://eifelon.de/region/uhu-schreddern-mit-amtlicher-genehmigung.html
Ohnehin erhärtet sich der Eindruck, dass die von den vielen Helfern der Bürgerinitiative dokumentierten umfangreichen Flugbeobachtungen des Rotmilans und des Schwarzstorches im Gemeindegebiet offensichtlich von der Genehmigungsbehörde nicht ernst genommen und angemessen berücksichtigt wurden. Aber auch die Untere Landschaftsbehörde und die Untere Naturschutzbehörde beim Kreis Euskirchen hatten wenige Tage vor der Erteilung der Baugenehmigung am 29. Dezember 2016 eine deutliche Warnung ausgesprochen.
Dass dieser Warnung bei der Genehmigungsbehörde nicht gefolgt wurde und die Baugenehmigung noch knapp vor Jahresende und damit zu den alten, für die Betreiber günstigeren Konditionen erteilt wurde, sei auf Weisung von „ganz oben“ erfolgt, wird im Kreishaus vermutet. Dass hier über die vorgesetzten Behörden Druck auf die Genehmigungsinstanz ausgeübt wurde, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, war das Projekt „Dahlem“ doch als „größter Windpark im Wald“ und als „Leuchtturmprojekt in NRW“ von NRW Umweltminister Remmel anlässlich der Einweihung der zehn 200-Meter-Windräder von Dahlem I-III bezeichnet worden.
Die Durchsicht des Urteils ergibt, dass der methodische Fehler zur Bewertung des Schwarzstorch erheblich war. Das Gericht kritisiert, dass es keine gezielten Raumnutzungsanalysen für diese Spezies gegeben habe. Da wird nun nachgearbeitet werden müssen. Im Urteil steht, dass der verlassenen Horst in 500 Meter Entfernung vom nächsten Windrad wieder bewohnt sein soll.
Das bestätigen auch die Naturschützer: Im – laut Gutachter – angeblich verlassenen Horst haben die Schwarzstörche in diesem Frühjahr drei Junge großgezogen. Die Jungstörche absolvieren ihre ersten Flugmanöver nun zwischen den Stümpfen der teilerrichteten Windanlagen, wie vor Ort bestätigt wird.
Der Kreis als beklagte Genehmigungsbehörde, wie auch der Anlagenbetreiber Dunoair, können gegen diesen Aachener Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster einlegen. Dass die Richter in Münster die Entscheidung der Richter in Aachen allerdings aufheben, sieht Ralf Wilke vom NABU Euskirchen eher nicht:
„Wir haben weitere gewichtige Argumente angeführt, unter anderem verstößt das Bauvorhaben gegen die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes, diese im Raum stehenden Einwände müssen in Münster ebenfalls geprüft werden.
Auch die Möglichkeit die UVP Vorprüfung für Dahlem IV zu „heilen“, indem die Unterlagen überarbeitet werden, bezweifelt Ralf Wilke:
„Dazu sind die vom Projektierer eingereichten Unterlagen zu mangelhaft, es fehlt die Bestandserhebung zu den Fledermäusen, die Auswirkungen der Baumaßnahme auf Wildkatze und Rotmilan sind in den Unterlagen fehlerhaft bewertet, weitere Beurteilungen zu projektierten FFH Gebieten und dem europäischen Biotopverbund zwischen belgischen und deutschen Waldflächen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. All diese im Raum stehenden Fragen müssen geprüft werden.
Damit werde es höchstwahrscheinlich notwendig, anstelle der Vorprüfung eine ordentliche Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) durchzuführen. Eine solche Untersuchung ist eine langwierige Angelegenheit und benötigt mit der dazu gehörenden Öffentlichkeitsbeteiligung mindesten ein Jahr. Ob nach einer solchen Prüfung die Standorte der Windräder im Kammerwald bestätigt werden, oder die Baustelle abgerissen werden muss, ist heute noch nicht zu sagen, hat doch die neue Landesregierung zugesagt, keine weiteren Windräder im Wald zu genehmigen.
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