Dahlem: Wurde der Schwarzstorch-Lebensraum im Gemeindewald Dahlem mutwillig zerstört? Ist die Gemeindeverwaltung Erfüllungsgehilfe der Windindustrie? Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) stellt Strafanzeige und fordert eine Aberkennung des PEFC-Siegels für den Dahlemer Forst.
Die strafrechtlich relevanten Tatbestände im Dunstkreis um die gerichtlich gestoppte Windradbaustelle in der Gemeinde Dahlem gehen weiter. Nachdem im vergangenen Oktober ein Horstbaum des Rotmilans in der Nähe der stillgelegten Windradstümpfe Dahlem IV der Motorsäge zum Opfer fiel, (Eifelon berichtete) haben Forstarbeiter nun dem ebenfalls dort brütenden Schwarzstorch den Brutplatz nachhaltig beschädigt.
Am 8. Januar wurden im direkten Umfeld des Schwarzstorch-Horstes im Gemeindewald Dahlem fünf bis sieben unmittelbar benachbarte, große Buchen gefällt und der Horstbaum damit völlig freigestellt. Damit wurde der im Walddickicht brütende Schwarzstorch der Laubdeckung seines Horstes beraubt. Und das, obwohl das Oberverwaltungsgericht in Münster die Genehmigung zur Errichtung von Windkraftanlagen in diesem Gebiet als vermutlich rechtswidrig bezeichnet hatte und das Verwaltungsgericht Aachen, in seinem folgenden Urteil, diese Rechtsmeinung durch Urteil voll bestätigte (Az.: 6K 612/17): Es untersagte den Weiterbau der Windanlagen wg. der Nichtbeachtung des Schwarzstorchs in der vorgelegten Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung (UVP).
Hier handelt es sich offensichtlich um den Versuch, die geplanten Windanlagen durch illegale Handlungen dennoch zu ermöglichen. Außerdem liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen das bundesdeutsche und europäische Artenschutzrecht sowie gegen die sogenannte ‚gute forstliche Praxis‘ vor. Was wir in Dahlem erleben, grenzt für uns schon an Umweltkriminalität,
erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender des bundesweit anerkannten Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI). Eine Augenzeugin und Fachbeirätin der NI beobachtete die Holzfällarbeiten um den Rotmilan-Horstbaum im Dahlemer Forst und informierte die Untere Naturschutzbehörde:
Als ich die Männer später zur Rede stellte und fragte, was sie im Wald machen, erzählten sie, dass sie für die Gemeinde Dahlem im Auftrag des Gemeindeförsters mit beauftragten Fällarbeiten beschäftigt seien. Durch die Arbeiten ist jetzt eine große Lichtung um den Horst entstanden. Neue Schneisen sind entstanden und der Forsttrecker hat tiefe Spuren in den weichen Waldboden gepflügt,
erklärte die Zeugin (Name der Redaktion bekannt), die die Rückearbeiten der frisch gefällten Buchenstämme beobachtet hat.
Es handelt sich hierbei offensichtlich um eine mutwillige Zerstörung einer Niststätte der streng geschützten Art Schwarzstorch. Als Niststätte ist dabei nicht nur der Horst selbst, sondern auch die für die Funktion der Niststätte wichtige Umgebung definiert,
erklärte Immo Vollmer, Dipl.-Biologe und Naturschutzreferent der NI.
Vollmer erläutert dazu, dass benachbarte Bäume eine wichtige Funktion als Deckung, Ruheplatz oder Anflugstelle der Elterntiere haben. Es sei mehr als offensichtlich, dass nach dem Beschluss des Gerichts keine weiteren Baumaßnahmen im Umfeld des noch aktiven Nistplatzes zuzulassen, unter Missachtung gesetzlicher Vorschriften, Wildtiere vertrieben werden sollen, die der Errichtung von Windindustrieanlagen im Wege stehen. Der Erhalt der Kern-Lebensräume streng geschützter Arten habe rechtlich eindeutig Vorrang vor dem Recht auf Errichtung von Windindustrieanlagen.
Die vor Ort wohnhafte Zeugin beobachte das zwielichtige Spiel der Gemeinde schon seit längerem. Die Gemeinde Dahlem würde bei der Errichtung weiterer Windräder durch Pachteinnahmen sehr profitieren. Schon frühzeitig wurde im Gemeindewald begonnen, im Umfeld des Horstes sukzessiv Bäume zu entfernen.
Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) hat die Kreisverwaltung in einem Brief vom 10. April 2018 aufgefordert, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Niststättenschutz durchzusetzen und Maßnahmen zur Beruhigung des Horstes entsprechend den Landesempfehlungen anzuordnen.
Passiert sei leider kaum etwas. Obwohl die Beruhigung des Bereiches um den Horst, nach Informationen der NI, Gegenstand eines Gespräches zwischen dem Regionalforstamt und der Unteren Naturschutzbehörde bei der Kreisverwaltung war. Zusätzlich gab es einen Ortstermin mit dem zuständigen Dahlemer Gemeindeförster Herrn Krumpen, im Dezember 2018. Dabei wurde vereinbart, keine weiteren Bäume zu entnehmen und die Rückewege im Sichtbereich des Horstes nicht mehr zu benutzen.
Jetzt soll der Förster gegenüber der Kreisverwaltung behauptet haben, von nichts gewusst zu haben. Das sei völlig unglaubwürdig. Es würde kein Waldarbeiter ein halbes Dutzend Bäume fällen, ohne eine entsprechende Anordnung des Försters zu haben.
Hier ist ganz klar eine rote Linie überschritten. Die NI wird daher gegen den Gemeindeförster und alle an dem Vorgang beteiligte Personen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft stellen. Wir werden es als anerkannter Naturschutzverband nicht zulassen, dass sich in Deutschland bezüglich Windkraft ein rechtsfreier Raum etabliert.
Leider ist dieser traurige Fall im Dahlemer Wald keine Ausnahme. Im Laufe eines Jahres erlangen wir Kenntnis von mindestens 20 ähnlich gelagerten Vorgängen, wobei die Dunkelziffer der Umweltkriminalität im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen enorm sein muss,
erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI.
Ein derartiges Vorgehen, wie es im Gemeindewald Dahlem zu beobachten ist, sei auch nicht mehr durch die sogenannte ‚gute forstliche Praxis‘ gedeckt. Es erscheint der NI als Hohn, dass diesem Waldbetrieb vor kurzem das Forst-Gütesiegel nach PEFC verliehen wurde, wonach die biologische Vielfalt in Waldökosystemen zu fördern und Rücksicht auf gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu nehmen ist. (Das PEFC-Gütesiegel steht für nachhaltige, pflegliche und verantwortungsbewusste Waldbewirtschaftung, die Redaktion) Die NI fordert daher die Zertifizierungsstelle auf, dem Gemeindewald in Dahlem das Gütesiegel wieder abzuerkennen.
Letzte Meldung: Auch der NABU-Euskirchen erwägt eine Strafanzeige gegen den Revierförster der Gemeinde Dahlem, sowie die Gemeindeverwaltung Dahlem als Eigentümerin des Dahlemer Waldes. Das Gericht soll klären, inwieweit die Fortpflanzungsstätte des Schwarzstorchs gestört bzw. zerstört wurde und ob hier gegen den § 44 Abs. 1 Nr.3 BNatSchG verstoßen wurde.
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