Nideggen: Der Kreis Düren hat für zwei Windanlagen, welche die Energiekontor unmittelbar am Naturschutzgebiet Biesberg zwischen Thum, Muldenau und Ginick errichten will, die Baugenehmigung erteilt. Im Vorfeld hatte es gegen den Standort der knapp 200 Meter hohen Anlagen auf Kreuzauer Gemeindegebiet massiven Widerstand der Stadt Nideggen, von Bürgern und den Naturschutzverbänden gegeben. Kritik an der Landschaftszerstörung im Landschaftsschutzgebiet, der negativen Beeinflussung von Baudenkmälern, ungenügende avifaunische Gutachten und der zu erwartenden Lärmentwicklung an der Wohnbebauung waren vom Kreis Düren in einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit Auflagen abgeschmettert worden. Davon war der Stadt aber bis zu 11. Januar nichts bekannt.
Für Irritationen bei der Nideggener Verwaltung hatte eine Bauanfrage einer Leitungsbaufirma am 10. Januar geführt. Die Elektrofirma wollte mit den Verlegearbeiten für das Erdkabel zu den Windanlagen beginnen und fragte in Nideggen nach, ob in der fraglichen Region mit anderen, unterirdisch verlegten Kabeln auf Nideggener Gelände zu rechnen sei. Da bis zu dem Zeitpunkt noch keine Baugenehmigung aus dem Kreishaus an die Stadt zugestellt worden war, somit noch nicht der Beginn der einmonatigen Klagefrist feststand, war man in Nideggen einigermaßen verwundert von dem Planungseifer der Energiekontor AG.
Auf Nachfrage der Stadtverwaltung beim Kreis wurde dann die Baugenehmigung am 11. Januar 2017 an die Stadt auf elektronischem Weg rechtskräftig übermittelt.
Nach diesen Unterlagen erfolgte die Baugenehmigung der Windräder durch den Kreis Düren am 2. Januar 2017. Auf dieses Datum wiesen auch die Dokumenteneigenschaften der Word-Datei hin. Hier wird als Erstellungs-Datum der 02.01.2017 um 13:12 angegeben. Es fällt jedoch auf, dass im übermittelten Fließtext als Ausstellungszeitpunkt der 23. Dezember 2016 angegeben wird.
Somit stellt sich die Frage, wann denn nun das Inkrafttreten der Dürener Genehmigung erfolgt ist. Die Beantwortung dieser Frage ist für Energiekontor bares Geld wert. Ändert sich doch die Einspeisevergütung für Windstrom mit dem neuen Jahr ganz erheblich. Die Kilowatt-Förderung nach dem EEG war in 2016 noch höher als in diesem Jahr. Da der Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung maßgeblich ist, würde eine Genehmigung noch in 2016 höhere Erträge – über die projektierte Förderzeitraum der Windanlage – aus der EEG-Abgabe bedeuten. Zum Vorteil der Energiekontor und zum Nachteil des Stromkunden.
Neben diesen unklaren Datumsangaben und den möglichen negativen finanziellen Folgen für den Stromkunden, hat der Kreis – auf Antrag der Energiekontor – die „Anordnung der sofortigen Vollziehung“ nach der Verwaltungs-Gerichts-Ordnung (VwGO) §80 Abs.2 Satz1 NR4 in den Genehmigungsbescheid aufgenommen. Damit werden die Rechte der Genehmigungsgegner, den Klageweg zu beschreiten, erheblich beschnitten. Energiekontor erhält das Recht sofort loszulegen.
Zur Begründung führt der Kreis aus, dass
ein öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten vorliegt“ und weiter […] „Bei Vorhaben wirtschaftlicher Unternehmungen ist eine zügige Entscheidung im überwiegenden Interesse des Antragstellers elementar wichtig, um die Kalkulation der Investitionskosten und damit die Durchführung des gesamten Vorhabens nicht zu gefährden.
Im „Antrag auf sofortige Vollziehung“ hat Energiekontor am 15.11. 2016 gegenüber der Kreisbehörde diesen Antrag mit dem Widerstand der Windradgegner und dem möglichen folgenden Prozess gegen das Vorhaben begründet. Im Genehmigungsbescheid heisst es:
In dem Genehmigungsverfahren wurden Einwendungen gegen das Vorhaben vorgetragen. Aufgrund des Umstandes, dass die Ausweisung dieser Konzentrationszone heftig umstritten war und auch im Genehmigungsverfahren für die zwei Windenergieanlagen Einwendungen vorgebracht wurden, ist davon auszugehen, dass gegen den Genehmigungsbescheid Rechtsmittel eingelegt werden. Dieses hätte zur Folge, dass mit einer Realisierung des Vorhabens nicht unmittelbar begonnen werden kann.
So sieht naturgemäß Energiekontor den Sachverhalt. Aber gibt das der Kreisbehörde das Recht, das Interesse des Windradplaners höher anzusetzen als das Interesse der Stadt Nideggen und ihrer Bürger, die sich gegen die Landschaftszerstörung ihrer Stadtumgebung wehren? Ein solcher Antrag schränkt die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Entscheidung zum Nachteil der Stadt ein.
Da hatte dann anscheinend auch die Kreisbehörde Bedenken. Also wird – zusätzlich – im weiteren Genehmigungs-Text auf das „öffentliche Interesse“ an der Realisierung des Vorhabens abgestellt:
Im vorliegenden Fall kann auch ein öffentliches Interesse der Realisierung des Vorhabens konstatiert werden. Die Erhöhung des Stromanteils aus erneuerbaren Energien am gesamten Strombedarf ist erklärtes Ziel der in der Bundesrepublik Deutschland verfolgten Politik. Die Errichtung und der Betrieb der Anlagen trägt dazu bei, diese Vorgabe zu erfüllen.
Eine politische Begründung, wo es um das Baurecht geht? Außerdem: An dieser Stelle irrt die Kreisbehörde. Seit Mitte 2016, mit der letzten Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), will der Bundestag und das öffentliche Interesse genau das Gegenteil: Eine Verlangsamung des Windradbaues in der Bundesrepublik, da in Deutschland mittlerweile die Leitungsnetze für das Überangebot von Windstrom fehlen und wir immer öfter Gelder an ausländischen Stromabnehmer bezahlen müssen, um unseren teuer subventionierten Windstrom wieder los zu werden. Also verlangsamen statt den Ausbau beschleunigen.
In der Nideggener Bauausschusssitzung am letzten Dienstag war man auch nicht einverstanden mit der Einschränkung der städtischen Klagemöglichkeit durch die Kreisverwaltung. Man konnte fast spüren, wie die Wut in den zahlreichen Zuhörern im Publikum hoch kroch, als die möglichen Folgen des „sofortigen Vollzugs“ erläutert wurden: Baubeginn sofort – ohne überprüfendes Urteil.
Als dann der Antrag der „Menschen für Nideggen“ (MfN), die Klage gegen die Windräder im Steinkaul um den Passus einer „aufschiebenden Wirkung“ vor Gericht zu erweitern, und somit gegen die Einschränkung des Klagerechts vorzugehen, gestellt wurde, gab es spontan Applaus im Publikum. Der Antrag fand eine Mehrheit aus MFN, CDU und FDP.
Dafür gab es dann den zweiten Applaus des Abends.
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