Heimbach, Vlatten: Der Kreis Düren hatte die Anwohner des beantragten Windparks Vlatten zu einer Anhörung ihrer Einwände gegen das Repowering-Projekt eingeladen. Nachdem die Projektentwickler im Februar den Antrag an die Behörde gerichtet hatten, auf dem Gelände des Windparks Vlatten fünf neue 200-Meter-Windanlagen mit einer dreifach höheren Leistung bauen zu wollen und dazu die acht alten, halb so hohen Anlagen, abzureißen. Die im Rahmen eine solchen Antrags vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung soll sicherstellen, dass es zu keiner Verschlechterung gegenüber der bisherigen Bebauung kommt.
Die Anwohner aus den umliegenden fünf Ortschaften wurden aufgefordert, ihre Einwände und Bedenken gegenüber dem Projekt bei der Behörde anzuzeigen. 400 Bürger folgten dieser Anregung und waren damit auch eingeladen, ihr Anliegen gegenüber der Unteren Emissionsschutzbehörde, den ebenfalls geladenen Projektierern und ihren Gutachtern zu äußern.
Circa 60 Personen hatten sich Donnerstagvormittag Zeit genommen und waren in der Vlattener Jugendhalle erschienen. Wer verhindert war, konnte den Rechtsanwalt der Bürgerinitiativen „Vlatten läuft Sturm“ und „Berg läuft Sturm“, Rechtsanwalt Justus Peters, mit der Wahrnehmung seiner Interessen betrauen.
Die Stimmung in der Jugendhalle war angespannt, als Claudia Schiewe, Sachgebietsleiterin beim Kreis Düren, um 10.00 Uhr das Anhörungsverfahren eröffnete. Sie führte aus, dass der Kreis lediglich zu prüfen habe, ob die beantragten Windräder den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Damit sei auch keine Diskussion zu politischen Fragen oder wirtschaftlichen Aspekten der Windenergie in diesem Forum sinnvoll, da beides nicht in die Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde fallen würde. Es gehe rein darum, ob die gesetzlichen Vorgaben zur Errichtung der fünf Räder eingehalten würden. Die Projektierer, ihre Gutachter und der Kreis seien aufgefordert, zu den Bedenken der Bürger Stellung zu beziehen.
Damit sei auch die Tatsache, dass der Rat der Stadt Heimbach den Antrag des Baubewerbers auf Errichtung der fünf neuen Räder bereits im Mai abgelehnt habe, hier nicht Gegenstand der Erörterung. Die Stadt hatte den Repowering-Antrag abgelehnt, da die Höhe der geplanten Windanlagen nicht den Vorgaben des gültigen Flächennutzungsplanes entsprachen. Diese planungsrechtlichen Aspekte werde die Kreis-Behörde natürlich ebenfalls im Verlauf des weiteren Verfahrens prüfen.
An diesem Tag solle es nur um die, von den Bewohnern eingebrachten Bedenken zum Schallschutz, Schattenwurf und am Nachmittag zum Denkmal und Artenschutz und den sonstigen Bedenken gehen.
Als der Projektentwickler anschließend nochmals sein Repowering-Projekt vorstellte, gab es ablehnende Zwischenrufe aus dem Publikum: Es ginge doch nur darum, dass sich die Investoren mit immer größeren Rädern nur die Taschen vollstopfen wollten, dass dabei das Dorf vor die Hunde gehe, wäre dabei ja wohl gleichgültig.
Die Stimmung war geladen und das ging auch bei den ersten Statements so weiter: Wieso würden 4,5 Megawatt (MW) Anlagen zur Genehmigung eingereicht, wenn doch nur ein gedrosselter Betrieb von 4 MW in den Gutachten betrachtet werde, der schalltechnisch gerade noch als akzeptabel ausgewiesen würde. Auch die Aussage des Projektierers, es werde nur eine Genehmigung über 4 MW im Tag und Nachtbetrieb angestrebt, traf auf Misstrauen. Wieso stehen dann 4,5 MW im Genehmigungsantrag, das sei widersprüchlich und nicht zu begründen.
Auch die Tatsache, dass im eingereichten Lärm-Gutachten nur von theoretischen und nicht überprüften Dezibel-Werten der Hersteller geschrieben werde, somit keine realen Lärmwerte gemessen worden seien, fand keine Gnade beim Publikum.
Gutachterin Tanja Nowak führte aus, dass es inzwischen bereits überprüfte Lärmwerte gebe, die niedriger seien als die im Gutachten angegebenen, stieß mit ihrer Aussage aber auch auf Misstrauen. Warum diese neuen Gutachten dann nicht vorgelegt worden seien, wurde nachgefragt.
Herbert Gormanns, beim Kreis für das Repoweringverfahren zuständig, bestätigte den Eingang neuer Schallgutachten beim Kreis. Damit war sofort auch die Frage verbunden, wieso die Öffentlichkeit darüber nicht informiert worden sei. Frau Schiewe regte an, weitere nachgereichte Gutachten und Informationen auf der Seite des Kreises Düren einzustellen, um damit die allgemeine Verfügbarkeit zu gewährleisten.
Auch die Tatsache, dass die meteorologischen Werte keinen Eingang in das Lärmgutachten gefunden hätten, wurde kritisiert. So würde der Schall in Windrichtung und bei höherer Luftfeuchtigkeit wesentlich weiter getragen als anhand der Gutachten ausgewiesen. Hier verwies die Gutachterin auf die gesetzlichen Vorgaben, die natürlich die normale Betriebssituation nur bedingt wiedergeben würden.
Auch kritisiert wurde, dass in Vlatten nur ein einziger Schall-Immissionspunkt (IP) ausgewiesen wurde. Das wurde vom Projektierer damit begründet, dass es sich an dem im Gutachten verzeichneten Vlattener IP um ein ausgewiesenes Wohngebiet handelt, das niedrigere Schall-Grenzwerte hätte als das übrige Dorfgebiet. Im „Dorf und Mischgebiet“ könnte die nächtliche Schallbelastung fünf Dezibel höher sein. Auch ein fehlender Schall-Messpunkt im Bereich der Lebenshilfe Bürvenich wurde angemahnt. Hier sei bereits nachgebessert worden, so die Gutachterin.
Es gelang erst im weiteren Verlauf der Anhörung, mehr Systematik in das anfangs chaotische Frage- und Antwort-System zu bekommen. Wobei auffiel, dass der Kreis viele der Fragen im Sinne und für den angesprochenen Antragsteller beantwortete.
In einem zweiten Komplex ging es um das Thema „Schattenwurf“. Durch die Höhe der neuen Räder würde das ganze Dorf bis zu 100 Stunden im Jahr dem Schattenwurf gleich mehrerer Windräder gleichzeitig ausgesetzt. Die gesetzliche Belastungsgrenze liegt bei maximal 30 Minuten pro Tag an maximal 30 Tagen im Jahr. Das sei für große Regionen im Dorf Berg und vor allen Dingen in Vlatten zu bestimmten Jahreszeiten weit überschritten. Hier erklärte der Baubewerber, man werde eine zuverlässige elektronische Steuerung benutzen, die solche Überschreitungen automatisch verhindere. Auch diese Aussage stieß auf spöttische Skepsis beim Publikum.
Ebenfalls absolutes Unverständnis herrschte, als der Gutachter seine Bewertungskriterien zu den Auswirkungen der Windriesen auf die Denkmalobjekte schilderte. Standen doch jedem im Raum die betrachteten und – vor allem – die nicht betrachteten Denkmäler vor Augen. Als das Beispiel der Vlattener Burg genannt wurde, bei deren Betrachtung keines der neuen Windriesen im Bild zu sehen sein werde, gab es Heiterkeitsausbrüche. Sind doch bereits heute die kleinen Windräder nur im Sommer durch das Laub des Burgparkes verdeckt. Das würde aber bei doppelt so hohen Rädern bestimmt nicht mehr der Fall sein. Auch die „vergessenen“ Denkmäler – die Burg in Berg, oder das Haus Lebenshilfe in Bürvenich, oder die Vlattener Kapelle als Wahrzeichen des Oberdorfs – sind bei der Begutachtung der historischen Dörfer anscheinend unter den Tisch gefallen.
Anschließend erläuterte Gutachter Michael Quest seine Analysen zum Artenschutz und betonte, dass für ihn der neuen NRW-Leitfaden: „Umsetzung des Arten und Habitatsschutzes“ aus dem Jahr 2017 maßgeblich gewesen sei.
Doris Siehoff vom Landesbüro der Naturschutzverbände kritisierte, dass bei der starken Rotmilan-Population im Umfeld der Windkonzentrationszone – hier seien allein in unmittelbarem Umfeld der WEA mindestens fünf Rotmilan-Schlafbäume bekannt – nur oberflächlich nach Horsten gesucht worden sei. Allein am Mühlenberg wären 14 der Beutegreifer auf einem Baum gezählt worden. Die Analyse vor Ort habe ergeben, dass an sämtlichen Beobachtungstagen des Gutachters vor Ort Rotmilane in der Luft gewesen seien. Insofern sei es unverständlich, dass dem Gutachter im Umfeld kein einziger Rotmilanhorst aufgefallen sei. Auch hätte aufgrund der vielen Sichtungen der Prüfbereich auf die Rotmilan Population auf mindestens vier Kilometer erweitert werden müssen. Das sei nicht erfolgt. Die vorgeschlagene temporäre Abschaltung der Windräder vom 1. August bis 30. September, für zwei Stunden am Abend, um ein gefahrloses Anfliegen der Vögel zu ihren Schlafbäumen zu ermöglichen, sei unzureichend. Auch die vorgeschlagenen Ablenkflächen für die Milane in einer Größe von zwei Hektar seien viel zu klein. Ausreichend seien Flächen ab 70 Hektar, um dem Jagdverhalten der Vögel zu entsprechen.
Weiters kritisierte Siehoff, dass einzelne windradsensible Arten nicht in der vertiefenden Artenschutzprüfung II vorgekommen seien. So wurden die auf dem Mühlenberg und dem Bürvenicher Berg vorhandenen Uhu-Brutplätze nicht berücksichtigt.
Die Errichtung von 200-Meter-Windanlagen im Landschaftsschutzgebiet des Vlattener Hügellandes seien nicht mit den Zielen des Naturschutzes vereinbar und somit eine Katastrophe.
Weitere Fragen zum Landschaftsschutz, dem Abriss der vorhandenen Anlagen, dem Rückbau der alten Fundamente, der notwendigen Planung einer neuen verstärkten Stromtrasse zum Abtransport des Windstroms, der Erschließung der WEA-Bauplätze, den entstehenden Verkehrsproblemen bei einem vermutlichen Verkehrsaufkommen von circa 6.000 LKWs zum Bau der Anlagen und der notwendigen Standsicherheit der WEA bei Turbulenzen durch zu geringen seitlichen Abständen der Anlagen zueinander, wurden aus Zeitgründen nicht mehr ausreichend behandelt.
Mitten in dem Frage- und Antwort-Gefecht meldete sich ein Zuhörer mit einem kurzen, nachdrücklichen Statement zu Wort:
„Ich lebe gerne hier in Vlatten, aber wenn es so kommt, werde ich das Dorf verlassen.“
Ein Anhörungstermin, so sieht es das Gesetz vor. Die Bürger sollen mit den Vertretern der Genehmigungsbehörden, den Projektierern und ihren Gutachtern über die Genehmigung zu einem Windpark diskutieren, Fragen stellen, ihre Bedenken einbringen. Sollen mit Gutachtern und Behörden darüber streiten, ob die eingereichten Gutachten ein solches Bauprojekt ermöglichen dürfen. Die Behörde, der Kreis Düren, die untere Emissionsschutzbehörde, betont, streng nach gesetzlichen Vorgaben zu handeln. Die Bürger haben Sorgen, um ihre Gesundheit, ihre Gemeinde, ihren Lebensraum. In den Gutachten wird versichert, dass die Geräuschbelastung der 200-Meter-Monsterräder unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte bleiben wird. Auch das mit dem Schattenwurf über dem ganzen Dorfgebiet sei alles im gesetzlichen Rahmen. Sagen die Gutachter, im Auftrag der zukünftigen Betreiber.
Aber: Warum eigentlich sollen die Bürger ihre Lebensqualität auf dem Land opfern und für wen?
Die Betreiber des Windparks haben 20 Jahre lang EEG-Förderung für den Strom ihrer Windanlagen erhalten. Zwanzig Jahre lang haben die deutschen Stromverbraucher hunderte Milliarden ihres sauer verdienten Geldes dafür ausgegeben, die Windenergie zu fördern. Eine Zwangsumverteilung aller Stromverbraucher an einige wenige Windradbesitzer. Jetzt noch einmal 20 Jahre zur Rettung des Klimas? Und auch noch größer und mehr… Und dann, was kommt in 20 Jahren?
Die Landbevölkerung lebt mit der fortschreitenden großflächigen Zerstörung ihres Lebensraum durch immer neue, immer höhere Windanlagen. Schönwetterstrom, dessen Produktion nur funktioniert, wenn es genügend Wind oder Sonne gibt, aber nicht, wenn es dunkel und windstill ist. Wer liefert dann? „Es wird Lösungen geben“, verspricht uns die Politik. Welche Lösungen, kann sie noch nicht beantworten. Wäre es da nicht besser, zuerst zu forschen und erst nach tragbaren Ergebnissen mit dem Planen zu beginnen?
Hier sind heftige Zweifel an dem bisher in Deutschland verfolgten Weg der „Klimarettung“ angebracht. Irgendwann sollte die Politik erkennen, wenn ein Projekt schief gegangen ist, bevor ihr die Wähler weglaufen oder wie in Frankreich auf die Straße gehen
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Bisher 2 Kommentare
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Noch ein Zusatz.
Es wurde mal ein KKW namens Kalkar gebaut – 1985 fertiggestellt – ein sogenannter schneller Brueter, 7 Milliarden DM (7.000.000.000 ) kostete das Ding, ging nie ans Netz.
Damals, im Genehmigungsverfahren, wurde jedes aber auch absolute jedes Grundrecht des Buergers gebrochen und absolute jedes Gutachten gebogen bis das es passte. War damals noch Teenager, aber hab viel darueber gelesen u es hat mich gepraegt………. der Buerger ist fuer die Maechtigen in Baeeeelin nur laestiger Balast. Wenn mir eine mit „im Namen des Volkes“ kommt, dann gibts was auf die „Fr…..e“ (Zitat Andrea Nahles)
Wie bereits vorher geschrieben, es interessiert den LR sehr sehr wenig was in Heimbach oder Vlatten eroertert wird.
Ein kleiner Anruf aus Baeeeeeeelin von Herrn Minister Peter Altmeier und die Raeder werden montiert, auf Biegen und Brechen.
Wir sind eine „marktkonforme Demokratie“ wie uns die „Wir schaffen das“ Angela aus der Uckermark des Oefteren wissen laesst, und zuallererst kommt der Markt, dann vieles mehr und zu allerletzt der steuerzahlende Buerger.
Wo war eigentlich Oliver Krischer von den Gruenen-hat den irgendwer gesehen?
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