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Vlatten: Ein idyllisches Dorf mit reicher Geschichte. [Foto: cpm]

ZwEifler: Vlatten – Der Anfang vom Ende eines uralten Dorfes?

Heimbach, Vlatten: Der Windpark Vlatten soll repowert werden. Das würde bedeuten, dass anstelle der bisher vorhandenen Windanlagen stärkere und größere Windräder an ihre Stelle treten. Die entsprechenden Anträge liegen nun beim Kreis Düren zur Ansicht vor. Hatte bei der Informationsveranstaltung am 28. März  im Heimbacher Stadtentwicklungsausschuss der Projektierer, die Wind Repowering GmbH & Co. KG aus Erkelenz, in einer PowerPoint-Präsentation noch einen Zeitplan bis 2022 genannt, bis es zum Rückbau der betroffenen acht Anlagen und zur Errichtung neuer Windräder kommen sollte, so hat man es nun anscheinend sehr eilig. Das Antragsverfahren Windpark Heimbach-Vlatten wird am Montag, dem 15. April, eröffnet. Die Unterlagen und Gutachten zum Genehmigungsantrag können bei der Gemeinde, dem Kreis oder im Internet eingesehen werden. Die Bürger haben zwei Monate Zeit ihre Argumente einzubringen.

Was ist geplant? Statt der vorhandenen acht kleinen Windräder mit einer Leistung von 1,5 Megawatt will der Projektierer nun fünf Anlagen mit der dreifachen Leistung und einer Höhe von 200 Metern errichten. (Der Kölner Dom ist „nur“ 157,38 Meter hoch.) Dazu gibt es Gutachten, die sich mit dem künftigen Schall, dem Schattenwurf und den Auswirkungen auf die heimische Vogelwelt auseinandersetzen.

Durch die enorme Größe der Windmaschinen wären die Folgen für die Gemeinden Vlatten, Hergarten (Heimbach), Berg (Mechernich), Bürvenich und Eppenich (Zülpich) heftig. So würde es in Vlatten, laut Gutachen, keine ruhige also Windradlärm freie Zeit mehr geben, es sei denn es herrscht Windstille. Das ganze Dorf läge im Schallteppich der neuen Windriesen. Die Hälfte der Bewohner müsste sich auf mindestens 40 Dezibel Dauerbeschallung einstellen, die andere Hälfte, an der nördlichen Peripherie, hätte noch mit mindestens 35 Dezibel zu rechnen. Dabei sprechen wir hier von den nächtlichen Werten ab 22.00 Uhr. Tagsüber dürfen es auch mehr sein. Für Dorfgebiete findet der Gesetzgeber tagsüber 60 Dezibel Dauerschall durchaus zumutbar.

Die PowerPoint-Präsentation des Projektierers beruhigt: Die neuen Anlagen seien doch viel leiser… Allerdings sind die neuen Räder höher und der Schall trägt damit weiter, aber das wird natürlich nicht dazugesagt.

Sicherheitshalber hat man in dem Schallgutachten, für das neben Mechernich-Berg am stärksten betroffene Dorf Vlatten, nur einen einzigen Immissionspunkt (IP) – Am Burgpark 11 – am Rand des Bebauungsgebiets für die Schallanalyse angenommen.

[Grafik aus dem Gutachten]

Um die gerade noch gesetzlich genehmigten Werte einzuhalten und nicht zu überschreiten, wurde auch nicht bei Volllast mit 4,5 Megawatt gemessen, sondern ein reduzierter Betriebsmodus (Mode 5) angenommen. Ob ein solcher reduzierter Betriebsmodus auch nachher im Alltagsbetrieb eingehalten wird, darf bezweifelt werden. Die Erfahrungswerte von Bewohnern aus anderen Windparks mit solchen Leistungs-Absenkungen sind eher negativ.

Welche Infraschall-Emissionen auf die Bewohner zukommen, die dafür empfänglich sind, (das sind zwischen 10 und 30 Prozent der Bevölkerung), ist natürlich nicht bekannt. Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen werden seit Jahren von Politik und Lobby erfolgreich unterdrückt, um das positive Image der Windenergie nicht zu gefährden.

Ähnlich sieht es beim Schattenwurf aus. Die 149 Meter großen Rotoren werden im Frühjahr und Herbst bei Sonnenschein das gesamte Ortsgebiet mehrere Monate lang mit Discoeffekten beglücken.

Maximal 30 Stunden pro Jahr, bzw. maximal 30 Minuten am Tag sei dieser Effekt „den nicht negativ eingestellten Menschen“ zuzumuten, hat man in Studien herausgefunden. In Vlatten und Berg dürfen sich weite Teile der Ortsbebauung auf theoretisch mögliche 30 bis 100 Stunden Discoeffekt einstellen. Der Rest ist mit 10 bis 30 Stunden Schattenwurf pro Jahr dabei, glaubt man dem Gutachter. Deshalb sollen nach maximal einer halben Stunde Schattenwurf pro Tag die Räder automatisch abschalten. Da sowohl in Berg, als auch in Vlatten die meisten Straßenzüge quer zu der Schattenbelastung liegen, ist eine derartige Regelung, bezogen auf das jeweilige Haus, nur schwer einzuhalten. Zumal nicht nur ein Rad einen Schatten wirft, sondern sogar mehrere zeitgleich je nach Sonnenstand und Jahreszeit.

[Grafik aus dem Gutachten]

Ein spannendes Problem dürften Turbulenzen bei Starkwind werden, zieht doch jedes Windrad eine kilometerlange Schleppe aus verwirbelter Luft hinter sich her. Deswegen lauten die Vorschriften zum Abstand der Windräder, dass quer zur Windrichtung fünf Windraddurchmesser und in der Längsrichtung acht Windraddurchmesser Abstand zwischen den Windanlagen einzuhalten seien. Bei einem Rotordurchmesser von 150 Metern sollte der Abstand  somit quer 750 Meter betragen; in Längsrichtung zur Hauptwindrichtung sind 1.200 Meter zwischen den Anlagen einzuhalten.

Davon ist man im Windpark Vlatten weit entfernt. Der Abstand zwischen der geplanten Windenergieanlage (WEA) 1 und der WEA 2 beträgt lediglich 372,5 Meter. Auch zwischen WEA 2 und 3 kommen lediglich kümmerliche 376 Meter zustande. Die Windräder 3 und 5 haben bei Südwest-Sturm ein Problem, lediglich 415,5 Meter trennen die beiden Anlagen.  Zur Erinnerung: In der Hauptwindrichtung wären in diesem Fall 1.200 Meter angesagt, um Turbulenzen und damit einer möglichen Zerstörung der Windriesen vorzubeugen. Um dieses Problem zu beheben, bezahlt man einen Gutachter, der dann bei entsprechendem Sturm entsprechende Abschaltsequenzen fordert. Dass sich eine solche zusätzliche Abschaltung nicht unbedingt positiv auf die Ertragsprognose auswirkt, kann sich jeder Investor ausrechnen.

Wie das dann allerdings bei Starkwind mit den Hundespaziergang aussieht, oder ob man dann besser mit Flocki zuhause bleiben sollte, um nicht von einem möglicherweise abfallenden Teil getroffen zu werden, muss jeder Anwohner dann wohl selbst entscheiden. Mit abbrechenden Windrädern hat man ja im Windpark Vlatten bereits Erfahrungen. Resümee: Kein einziges Windrad hielte den notwendigen Sicherheitsabstand zum Nachbarrad ein.

Fragen wir nach dem Ortsbild. Die karolingische Kaiserpfalz Vlatten urkundlich das erste Mal vor über 1.100 Jahren erwähnt, ist ältester historischer Boden. Funde aus vorgeschichtlicher Zeit (5.000 v. Chr.) belegen eine uralte Besiedlung. Unzählige Generationen haben im Laufe der Geschichte hier gelebt. Das milde Klima und und die geschützte Lage im Vlattener Hügelland hat für eine stetige Besiedlung gesorgt.

Das Ortsbild und das Umfeld fügen sich harmonisch in die umgebende Landschaft ein. Hier stellt sich die Frage, wie sich 200 Meter hohe Windräder auf das Ortsbild und den Tourismus auswirken werden. Die bisherigen, halb so großen Windmaschinen, sind von der Dorflage her kaum wahrzunehmen. Das würde sich mit 200 Meter hohen Windmasten, die vom gesamten Dorf aus massiv sichtbar wären, natürlich ändern.

In einem Denkmalschutzgutachten bemüht sich der Gutachter festzustellen, aus welcher Richtung man die denkmalgeschützten Gebäude betrachten kann, ohne ein störendes Windrad im Bild zu haben, statt auf das historische Ortsbild einzugehen. Einige denkmalgeschützte Gebäude wurden überdies in der Auflistung der Vlattener Sehenswürdigkeiten schlichtweg vergessen.

Im „Wirkradius“ der Windanlagen befinden sich 45 Denkmäler, sagt das Gutachten, davon sind nur 24 so ausgerichtet, dass man bei ihrer Betrachtung die Windräder im Bild habe. Dadurch sei aber keine Betroffenheit abzuleiten. „Bei den Sichtachsen auf das Denkmal ist keine geplante WEA zu erkennen.“ Als Beispiel sei hier die Burg Vlatten genannt, bei deren Betrachtung man angeblich keine Windanlage ins Bild bekommen würde. Die Frage sei an dieser Stelle gestattet, ob der für das Gutachten zuständige Mitarbeiter des Ingenieurbüro nicht irrtümlich ein anders Dorf mit Burg begutachtet hat…

Für die neunhundert Einwohner von Vlatten stellt sich natürlich auch die Frage, ob die in einer Entfernung von ca. 1.000 Metern errichteten Windanlagen ihre Häuser und Wohnungen entwertet. Nach einer Studie des Leibniz Institutes haben Einfamilienhäuser in ländlichen Regionen mit einer Entfernung bis 1.000 Metern zu Windrädern, Wertverluste von bis zu 23 Prozent zur Folge. Nun kann man sich überlegen, wie es um Eigenheime in 1.200 Metern Entfernung bestellt ist. Vorausgesetzt, es fänden sich überhaupt noch Käufer, die bereit sind, in die windradbeschallte Kommune zu ziehen oder ob die eigenen Kinder bereit sind, unter den Windrädern zu siedeln und eine Familie zu gründen.

Gerade erst wurde mit erstem Spatenstich ein Neubaugebiet im Ort eingeweiht. Von dem Bauplatz aus sind die Windmaschinen in ihrer vollen Größe bei Tag und Nacht zu sehen und auch zu hören.

Es bestünde das hohe Risiko, dass durch die Dominanz der Windanlagen der Siedlungsort, das Dorf wirtschaftlich vernichtet wird. Im Prinzip hat zwar kaum jemand Vorbehalte gegen Windräder, auch wenn ihr energietechnischer Nutzen höchst umstritten ist. Allerdings möchte kaum jemand, der in die Natur und auf das Land zieht, in unmittelbarer Nähe der Windriesen leben.

Welche Zukunft haben Kommunen, wenn sie von Windanlagen umlagert werden? Lohnt der wirtschaftliche Profit einzelner Investoren, mit dem Untergang der Dorfgemeinschaft zu spekulieren? Warum können sich die Investoren nicht an die 1.500 Meter Abstand zur Wohnbebauung halten, die doch unsere Landesregierung postuliert? (Das gilt aber natürlich nicht bei Repowering, obwohl es da am Nötigsten wäre.)

Muss jetzt noch schnell ein Bauantrag gestellt werden für Windräder, die kein Stromnetz aufrecht erhalten können und kein CO2 vermeiden? Ist es sinnvoll, dörfliche Lebensräume zu zerstören, um fragwürdige Profite Einzelner zu gewährleisten?

Wenn die alten, mittlerweile abgeschriebenen Vlattener Windräder weiterlaufen und Einnahmen erwirtschaften, erzeugt das Gewerbesteuereinnahmen für die Kommune. Neue Windräder werden über 16 Jahre abgeschrieben, damit gibt es die nächsten Jahre keine Einkünfte für das Stadtsäckel. Und was wäre, wenn die Windräder nach ihrer zwanzigjährigen Subvention durch die Stromkunden nach 2022 nun ihren Strom frei vermarkten würden und damit die jahrzehnte langen teuren EEG Subventionen durch die Bürger rechtfertigen würden?

Das EEG-Gesetz war so gedacht, leider kann sich Windstrom ohne Subvention anscheinend auf dem Markt nicht durchsetzen. Sollten die Recht behalten, die schon immer die Förderung der Windenergie für einen Milliarden teuren Irrweg gehalten haben?

Für die betroffenen Bewohner beginnt nun ein langer Weg, wenn sie die Zerstörung ihres dörflichen Lebensraumes nicht hinnehmen wollen. Der Kampf mit der Ignoranz der Behörden, um ein Menschenrecht, das sogar das Grundgesetz verspricht, durchzusetzen.

Artikel 2 Grundgesetz:

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

Das Verfahren

Die Firma Wind Repowering GmbH & Co. KG aus Erkelenz hat beim Kreis Düren den Antrag auf Repowering des Windparks Heimbach-Vlatten gestellt.

Das Umweltamt des Kreises Düren stellt die Antragsunterlagen, die in ihren öffentlichen Verfahren ausgelegt werden müssen, zusätzlich über das Internet zur Einsichtnahme zur Verfügung.

Anstelle der vorhandenen acht Altanlagen sollen auf der Windkonzentrationszone Heimbach-Vlatten fünf neue Windanlagen mit der Leistung von 4,5 Megawatt und einer Bauhöhe von je 199,55 Metern errichtet werden.

Der Antragsteller beantragt die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung als Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung.

Die Inbetriebnahme der Anlagen ist für das 1. bis 2. Quartal 2020 vorgesehen.

Der Genehmigungsantrag und die dazu gehörigen Unterlagen liegen vom 15. April bis 15. Mai 2019 während der Geschäftszeit beim Kreis Düren, Bismarkstraße 16, Haus B, Zimmer 413, und der Stadtverwaltung Heimbach, Seerandweg 3, Zimmer 1.4  sowie im Internet unter https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/Verfahren3.php zur Ansicht aus.

Die Bürger und die Öffentlichkeit können sich an dem Verfahren beteiligen und ihre Anmerkungen oder Stellungnahmen schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde bis spätestens einen Monat nach der Auslegungsfrist mitteilen.

Der öffentliche Erörterungstermin ist am 24. Juli 2019 geplant.

Anschließend prüft die zuständige Behörde die aus dem Verfahren vorliegenden Informationen und die Stellungnahmen der Öffentlichkeit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags.

24 weitere Texte bei EIFELON zum Thema:

Alle Unterlagen:

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/Verfahren3.php

Schallgutachten:

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/pdf/15_1_Schallimmissionsprognose.pdf

Schattenwurfprognose:

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/pdf/15_2_Schattenwurfprognose.pdf

Denkmalgutachten;

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/pdf/19_3_Denkmalschutzgutachten_.pdf

Turbulenzgutachten:

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/pdf/16_Turbulenzgutachten_WPVlatten.pdf

Artenschutzprüfung:

https://www.kreis-dueren.de/kreishaus/amt/66/oeffverfahren66/pdf/20_Artenschutz.pdf

12.4.2019NaturHeimbach, Vlatten2 Kommentare cpm

Bisher 2 Kommentare
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  • 200m hoch, es wird das Dorf verändern in die Beschallten u Beschatteten und die Nichtbeschallten und Nichtbeschatteten. Daneben sind einige Vlattener gross an der Anlage finanziell involviert, sprich Investoren, das ist gut so.
    Da schlimmste am Menschen ist das er sich an alles gewöhnt, an alles. Die Erfahrung zeigt – siehe Dahlem, siehe Nideggen….das Investoren und Politik an einem Strang ziehen und solche Projekte durchdrücken….. zum Wohle der Allgemeinheit.
    Ich sehe keine Rehe mehr auf der Waat seit die Anlagen dort sind. Am frühen Morgen und Abend konnte man Rudel mit 15+ Tieren oft doch oben sehen, beim friedlichen graasen – schade.

    …. und glaube keinem Gutachten das du nicht selbst zurechtgestutzt hast.

  • Am 28.4.19 um 22:46 von Eifel: Vlatten – Der Anfang vom Ende eines uralten Dorfes? – Vernunftkraft. verlinkt

    […] Alles lesen bei Eifelon.de […]

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