Heimbach, Vlatten: Immer mehr seltsame Vorkommnisse werden um das mögliche Repowering auf dem Heimbacher Stadtgebiet oberhalb des Ortsteils Vlatten bekannt.
Über Vlatten sollen – nach Vorstellung des Investors – acht circa 120 Meter hohe Windindustrieanlagen abgerissen und fünf Windmaschinen mit dreifacher Megawattleistung und 200 Metern Höhe neu gebaut werden.
Die Bevölkerung in Heimbach wurde durch die Stadt bisher nicht über die Repowering-Maßnahme unterrichtet, obwohl der Stadt bereits seit mindestens 21. März von den Plänen durch die Dürener Kreisverwaltung offiziell in Kenntnis gesetzt wurde.
In einem Schreiben vom Oktober letzten Jahres teilt der Betreiber von sieben der acht bestehenden Rädern, die „Windpark Vlatten Nr. 21 GmbH & Co. KG“, der Stadt bereits mit, die „BMR energy solutions GmbH“ mit der Planung des Repowerings beauftragt zu haben. Seit mindestens damals waren der Verwaltung und dem Bürgermeister die Aktivitäten also bekannt. Dieses Wissen wurde allerdings nicht mit dem Rat oder der Bevölkerung geteilt…
Nach bekannt werden dieser Pläne hat sich über Ostern die Bürgerinitiative „Vlatten läuft Sturm“ gegründet und zu einer Informationsveranstaltung am vergangenen Freitag aufgerufen, um die Bürger über die drohende Zerstörung ihres Ortsbildes zu informieren. (Eifelon berichtete) Nun wurde auch die Stadt aktiv und hat ihrerseits die Bürger zu einer Veranstaltung mit dem Investor am nächsten Dienstag, dem 7. Mai, in die Vlattener Jugendhalle eingeladen. Sollte hier still und leise an den Interessen der Vlattener vorbeiregiert werden?
Seltsam auch das Verhalten des Projektierers, hatte dieser in seiner PowerPoint-Präsentation in der Stadtratssitzung am 28. März noch von einem Zeitfenster bis zum Abriss der Altanlagen (2021) und Neubau der 200-Meter-WEA im Jahr 2022 gesprochen, steht nun im offiziellen Bauantrag: „Die Anlagen sollen im 1./2. Quartal 2020 in Betrieb genommen werden.“ Auf Nachfrage erklärte der Projektierer „die vorgezogene Zeitangabe im Bauantrag sei taktischer Natur…“ Will die Kapitalgesellschaft damit zum Ausdruck bringen, dass man hier grundlos und in einer Blitzaktion Bevölkerung und Entscheidungsträger unter zeitlichen Zugzwang setzen wollte?
Die öffentliche Verlautbarung durch den Kreis Düren über den geplanten Neubau von fünf 200-Meter-Windanlagen am 13. April in der Dürener Zeitung, wurde im Stadtjournal der Stadt Heimbach bisher nicht veröffentlicht, auch auf den Aushangtafeln im Stadtgebiet fehlt bisher jegliche Information zu diesem Thema.
Ab der amtlichen Veröffentlichung läuft die zweimonatige Einwendungsfrist für die Bürger. Insofern ist eine solche Verlautbarung öffentlich bekannt zu machen. Das wurde in Heimbach bisher versäumt.
Schlamperei wäre hier mehr als ärgerlich, endet doch die öffentlich Auslegungsfrist, in der die vom Projektierer eingereichten Unterlagen und Gutachten im Rathaus in Heimbach und der Kreisverwaltung in Düren einzusehen sind, bereits am 15. Mai und damit bereits eine Woche nach der Informationsveranstaltung der Stadt Heimbach am 7. Mai…
Kaum genügend Zeit, um sich mit den mehrere hundert Seiten umfassenden Unterlagen intensiv auseinanderzusetzen. Es empfiehlt sich also, die Gutachten von der Webseite des Kreises auf den eigenen PC herunterzuladen, da die Einwendungsfrist für die Anlieger erst einen Monat später, am 15. Juni, endet.
Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Anmerkungen und Einsprüche der Bürger von der Dürener Kreisverwaltung angenommen. Am 24. Juli gibt es dann eine öffentliche Sitzung in Vlatten. Dazu werden alle Einwender eingeladen. Anschließend wird dazu vom Kreis Stellung genommen und die Entscheidung dem Einwender auch schriftlich mitgeteilt. Gegen diese Entscheidung – sollte es zu einem positiven Bescheid kommen – können Rechtsmittel eingelegt werden. Aber nur, wenn man vorher eine Einwendung formuliert hat!
Ebenfalls nicht informiert wurden die besonders betroffenen Anwohner in Mechernich-Berg und in den ebenfalls betroffenen Stadtteilen von Zülpich und Nideggen, die erst durch die Flugblätter der BI „Vlatten läuft Sturm“ auf die Entwicklung aufmerksam wurden.
Damit entsteht der ungute Eindruck, den Bürgern würden absichtlich der Zugang zu den wichtigen Informationen erschwert, war die Stadt Heimbach doch bereits Mitte März vom Kreis Düren informiert worden und hatte vermutlich bereits seit Oktober Kenntnisse von den Plänen.
In der Konsequenz hat sich – nach der Informationsveranstaltung der Vlattener BI – im zweiten besonders stark betroffenen Dorf Berg, am Rande der Wind-Konzentrationszone, spontan eine weitere Bürgerinitiative gegründet: „Berg läuft Sturm“ hat sich organisiert und lud am Freitag zu einer Infoveranstaltung in das Berger Bürgerhaus (siehe Bericht) ein.
Unverständlich auch, dass bei der Einweihung eines neuen Baugebietes in Vlatten durch Landrat und Bürgermeister, zu einem Zeitpunkt, da sowohl die Stadt wie auch der Kreis bereits von dem Repowering-Antrag informiert waren, kein Wort über das Thema gefallen ist. Den Entwickler des neuen Baugebiets wird’s sicher freuen.
Das Vlattener Neubaugebiet „Weberquartier“ liegt sowohl in der Schattenwurfzone der fünf geplanten 200-Meter-Anlagen, ebenso würden künftige Bauwerber auch vom Süden her mit der Geräuschentwicklung der Räder konfrontiert werden. Besonders grotesk wirkt in diesem Zusammenhang der geplante Lärmschutzwall zur Bundesstraße 265. Zur Straße hin geschützt, würde die Bauinteressierten nun auf der Südterrasse ihrer zukünftigen Anwesen, der Anblick auf hoch über dem Dorf stehende Windindustrieanlagen erfreuen, mit gratis Schattenspielen am frühen Morgen. Damit werden die Parzellen im Vlattener Neubaugebiet de facto sehr schwer verkäuflich sein.
In einer ähnlichen Lage befindet sich auch die Stadt Zülpich. Ihr Neubaugebiet „Am Kopmann II“, direkt unterhalb der projektierten Monsterräder in Bürvenich gelegen, wird vermutlich auch wenig neue Interessenten finden.
Unangenehm fällt auch auf, dass die amtliche Veröffentlichung des Repowering-Antrags über den Kreis Düren pünktlich zu Beginn der Osterferien am 15. April erfolgte. Damit verkürzt sich die Einspruchsfrist für diejenigen, die Ostern in Urlaub fuhren, schon einmal um zwei Wochen. Da wundert es dann auch nicht, dass der Anhörungstermin, bei dem die Einwände der Bürger durch den Kreis öffentlich erörtert werden sollen, auf den 24. Juli gelegt wurde. Man beachte: Wieder in den Schulferien.
Im Flächennutzungsplan der Stadt Heimbach wird eine maximale Windradhöhe von 75 Metern in der Windkonzentrationszone genannt, welche nur im Ausnahmefall überschritten werden darf. Eine Ratsentscheidung präzisiert diese Formulierung dahingehend, dass kein Windrad in der Konzentrationszone die absolute Höhe von 440 Metern über NN überschreiten darf.
Die beantragten 200-Meter-Windräder würden die festgelegte Bauhöhe erheblich überragen und entsprechen somit nicht der festgelegten Höhenbegrenzung.
Nach dem Baugesetzbuch ist die Entscheidung im Stadtrat zu treffen, ob es eine Zustimmung zu dem gestellte Bauantrag gibt.
Diese Zustimmung muss versagt werden, wenn der Bauantrag den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht.
Das ist hier eindeutig der Fall.
Zusätzlich widerspricht die Planung den Bedingungen des Landschaftsplans: Industrieanlagen haben im ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet des Vlattener Hügellandes nichts zu suchen.
Auch werden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes und der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes beeinträchtigt, sowie das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet. 200-Meter-Windanlagen würden die historische Kulturlandschaft zerstören. Ein weiterer Grund, die Zustimmung zu verweigern.
In der öffentlichen Veranstaltung der Stadt in der Vlattener Jugendhalle, am kommenden Dienstag (7. Mai) um 18.00 Uhr, soll der Investor sein Projekt erläutern, die Bürgerinitiativen können ihren Standpunkt darstellen, die betroffenen Anwohner und die Stadträte erhalten Gelegenheit, sich zu informieren, Fragen zu stellen und mit den Beteiligten zu diskutieren..
Am kommenden Donnerstag (9. Mai) um 19.00 Uhr, also zwei Tage später, tagt der Stadtentwicklungs-Ausschuss in öffentlicher Sitzung im Heimbacher Rathaus. Der Stadtentwicklungs-Ausschuss soll in seiner Sitzung eine Empfehlung für die Ratsversammlung, am 16. Mai, also eine Woche später, erarbeiten.
Die BIs „Vlatten läuft Sturm“ und „Berg läuft Sturm“ haben angekündigt, am Donnerstag, rechtzeitig zum Sitzungsbeginn vor dem Rathaus zu demonstrieren.
- 16.04.2021: Klage gegen 200-Meter-Windriesen bei Vlatten wird aufrechterhalten
- 09.04.2021: Ein dreistes Angebot: Neues zum geplanten Repowering in Heimbach-Vlatten
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- 18.10.2019: Windpark Vlatten: Protokoll und ergänzende Unterlagen auf der Kreishomepage eingestellt
- 31.08.2019: Ein Erörterungstermin zum Windrepowering Vlatten
- 16.08.2019: Seltsame Formulierungen eines Windrad-Projektierers und ein Offener Brief an den Landrat
- 09.08.2019: Bürgerprotest: Über 400 Einwendungen gegen Vlattener Riesenwindräder
- 21.06.2019: Repowering Vlatten: Kreis Düren verschiebt Anhörungstermin
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- 12.04.2019: ZwEifler: Vlatten - Der Anfang vom Ende eines uralten Dorfes?
Bisher 5 Kommentare
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“Im Westen nichts Neues” fällt mir zu der Mauschelei nur ein.
Wenn das alles so stimmen sollte, denke ich an eine Zeit die keiner mehr haben will oder auch an andere Länder, die von unseren Politikern als undemokratisch und mehr bezeichnet werden.
Stadtjournal Heimbach Jahrgang 15 / Heft 7 vom 10.April 2019
Einfach mal den 3. Abschnitt im Editorial des Bürgermeisters lesen!!!
Ich hab’s mir grad nochmal rausgesucht und durchgelesen:
http://www.stadtjournal-heimbach.de/images/stories/jahrgang_2019/07_19_inet.pdf
Ich bin kein Jurist, aber reicht der knappe Abschnitt als Benachrichtigung der Bürger aus? In DZ/DN stand’s wesentlich ausführlicher…
Sei’s drum: Eine umfassende Aufklärung für die Menschen vor Ort, die massiv betroffen wären, sieht anders aus! Gerade vor dem Hintergrund des extrem kurzen Zeitfensters. Kein Wort über die Einspruchsmöglichkeiten!
So vermittelt der hochgeschätzte Bürgermeister den Eindruck als wäre das alles schon entschieden, als könnten die Bürger nichts mehr machen.
Das ist bestenfalls kein guter Stil…
Stimmt!
Vor allem ist es schlechter Stil sich vor dem Bekanntmachungstermin mit dem Landrat hinzustellen und einen Spatenstich im Weberquartier durchzuführen, wohlwissend dass ein Repowering vorgesehen ist! Ich nenne sowas „Bürgerverarschung“ und Ignoranz.
Solche „Volksvertreter“ braucht kein Mensch!
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